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426 Europa unter Bonapartischein Einfluß. auf den russischen Eisfeldern ihr Racheiverk begonnen. Allenthalben brach bald der mühsam zurückgehaltene Haß gegen den dämonischen Manu los. 2n Preußen, dem Lande, das zunächst a» dem Schauplatz der Katastrophe unr Rußland, und vor allen andern unter der Napoleonischen Gewaltherrschaft zu leiden hatte, gab sich auch die Volkserhebung am raschesten und mächtigsten kund. Als man in fluchtähnlicher Eile die französischen Generale durch die preußischen Städte ziehen sah und die elenden Trümmer der großen Armee in vollster Auf lösung ihnen nachsolgten, da leuchtete Jedem ein, welch ein gewaltiger Wende punkt für Preußen und Europa gekommen. Die öffentliche Meinung forderte ungestüm den alsbaldigen Anschluß an die siegreichen Russen, denen man als Befreiern entgegenjubelte. Noch aber waren die Festungen fast insgesammt von den Franzosen besetzt, das Land militärisch geknebelt, noch war der Rheinbund nicht gesprengt, noch war die Bcsorgniß vor dem gewaltigen Soldatcnkaiser in den Berliner Regierungskreisen so mächtig, daß man lange Wochen zögerte, sich offen an Rußland anzuschließcn, den erzwungenen Bund mit Frankreich ab zuwerfen. Auch der Kaiser von Rußland zauderte Anfangs, die Grenzen seines Reiches zu überschreiten und seine Siege weiter zu verfolgen; dem Bunde niit Preußen waren viele Stimmen abgeneigt, weil man sich dadurch die Aussicht entzog, auf Kosten des Nachbarlandes an der Ostsee und Weichsel Erwerbungen zu machen. Ueberdies waren auch Rußlands Kräfte so stark erschöpft, daß eine Fortsetzung des Kriegs nicht unbedenklich erschien. Es wurde cingewendct, nur bis zur Grenze oder höchstens bis zur Weichsel reichten die russischen Interessen; das war die Meinung der moskowitischen Partei, an ihrer Spitze Kutusow. Es war wesentlich dem Einflüsse Stein's und des leidenschaftlichen Corsen Pozzo di Borgo zu danken, daß Rußland den Krieg fortscßte, daß sich bald eine große europäische Coalition gegen Frankreich bildete und daß Kaiser Alexander den Ehrgeiz faßte, der Ordner und Wiedcrhersteller der europäischen Verhältnisse zu werden. In die schwankenden Entschlüsse, in die verzagten und vorsichtigen Erwägungen hinein fiel eine kühne That, welche gewaltsam die Entscheidung zur Reife brachte und fortzcugcnd Größeres gebar. preußische Hülfscorps, welches niit Napoleon nach Rußland gezogen, stand unter dem Oberbefehl des alten, von tiefster Bewunderung für das Genie Napoleon's erfüllten Gcncrallicutcnant von Grawert; als zweiter commandi- render General befehligte Nvrk, dem nach dem baldigen Rücktritt des alters- schwachen Kollegen das alleinige Commando zufiel, ein ehrgeiziger, mißtraui scher, harter, entschlossener Mann, von strengem finsterem Wesen, „scharf wie gehacktes Eisen", von den Soldaten der „Jsegrimm" genannt und über die Maßen gefürchtet, ein Franzoseufeind von leidenschaftlicher Heftigkeit, dabei mit den militärischen Reformen der Zeit und ihren Urhebern keineswegs immer einver standen. und noch weniger mit den politischen Neuerungen, eine durchaus con- servative Natur von altpreußischer Zucht und Kraft. Die Nork stammten der