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III. Die Jahre der Napoleonischen Weltherrschaft. 417 Allein gegen Ende des Jahres 181V, als seine Lieblingstochtcr Ainalic starb, ergriff ihn das Leiden von Neuem mit solcher Heftigkeit, daß man bei der geringen Hoffnung einer Heilung aus die Einsetzung einer Regentschaft denken mußte. Schon bei dem zweiten Anfall im Jahr 1788 war von den Whigs im Parlamente der Antrag gestellt worden, den Prinzen von Wales, als den legitimen Thronfolger zum Regenten zu ernennen. Denn zu jener Zeit stand Prinz Georg auf Seiten der Whiggistischen Opposition, war der Freund und Genosse eines Fox, Sheridan, Burke. Daher widersctztc sich Pitt dem Vorschläge und zog die Entscheidung so lange hinaus, bis die Wiedergcnesung des Königs die ganze Streitfrage beseitigte. Jetzt wurde der Antrag erneuert und durch geführt. Ein Parlamentsbcschluß bestimmte, daß der Prinz von Wales während der is.2an.l8ti. Geisteskrankheit seines Vaters die Regentschaft unter gewissen Beschränkungen führen sollte. , Darauf wurde Georg III. unter Obhut seiner Gemahlin und seines zweiten Sohnes, des Herzogs von Bork, in den Palast von Windsor eingcschlosscn. wo er noch neun Jahre lang sein trauriges Dasein sortführte, das in den letzten Lebensjahren durch den Verlust des Augenlichtes noch qualvoller wurde. Im Anfang glaubte man, der Prinz-Regent würde ein neues Cabinet aus seinen politischen Freunden bilden; aber Georg hatte inzwischen seine Ansichten geändert und sich den Tories genähert. So kam es, daß die bisherigen Minister Liverpool, Castlereagh, Lord Eldon und auch noch ein Jahr lang Perceval bis zu seiner Ermordung am 11. Mai 1812, Männer, welche der Prinz früher mit Spott und Verachtung behandelt, in» Amt blieben und die Torypartci in den letzten Jahren der Napoleon schcn Herrschaft das Staatsruder in England führte. Wir werden den Charakter und die Regierung dieses Fürsten, der in vielen Dingen an den zweiten Karl Stuart erinnert, in einer spätem Periode kennen lernen. Wie jener Stuart verband er mit Geist und Talent, 'mit feiner Salonbildung und gewinnendem Wesen einen unwiderstehlichen Hang zu sinnlichen Genüssen, zur Fri volität und Verschwendung, zu Liebschaften und Schwelgereien. Seine Schulden waren in Folge seiner Orgien, seiner Spiel- und Trunksucht, seiner Ausschweifungen zu einer Höhe angewachsen, daß das Parlament wiederholt sehr beträchtliche Summen zur Deckung bewilligen mußte. Sein Licbesvcrhältniß zu der schönen Wittwc Fitzherbert, einer Katholikin, das bis zur heimlichen Ehe ging, würde sein Thronrccht gefährdet haben, hätte er cs nicht ebenso leichtfertig wieder gelöst, als er es geknüpft hatte. Sein unsittlicher Lebenswandel verursachte seinem Vater, besten Leben ein Muster von Ehr barkeit, von häuslicher Tugend und Sitte war, an dessen Hof es stets steif, pedantisch und langweilig herging, großes Herzeleid, so lange sein enger Verstand noch nicht von Irrsinn umschlcicrt war. Im Jahr 1794 hatte sich der Prinz zu einer standcs- mäßigen Heirath bewegen lasten mit Karoline von Braunschweig, der achtundzwanzig- jährigen Tochter des preußischen Feldmarschalls, der bei Aucrstädt die Todeswundc em pfangen ; aber er behandelte die deutsche Fürstin, die den verwöhnten und blasirten Gemahl weder durch Schönheit, noch durch Geist oder Bildung zu fesseln vermochte, mit solcher Zurücksetzung und Abneigung, daß die Ehe keine veredelnde Wirkung hatte. Gleich der erste Enipfang erinnerte an die rohe Scene, wie einst Heinrich VIII. die ihm angetraute Anna von Cleve, „die flandrische Mähre", ausgenommen hatte (X, 599). Nach der Geburt einer Tochter, der Prinzessin Charlotte, am 7. Januar 1796, wurde alle eheliche Verbindung abgebrochen. Karoline lebte getrennt von ihrem Gatten theils in England auf ihrem einsamen Landsitz in Blackhcath, theils im Ausland, indeß der Prinz-Regent in den Armen schöner Buhlerinnen oder in der Gesellschaft lustschwel- gcrischcr Genosten sich ergötzte. Und da auch die Prinzessin durch Unvorsichtigkeiten in Reden und Handlungen und durch ihre mütterliche Zärtlichkeit für einen Waisenknaben deutscher Abkunft Anlaß zu schlimmen Nachreden, ja zu gerichtlichen Verhören gab, so Weber. Weltgeschichte. XIV. 27