III. Die Jahre der Napoleouischcn Weltherrschaft. 411 Vertrauen des Zaren erwarben. Wir haben früher die Empfänglichkeit Alexan ders für Verbesserung und Fortschritt in allen Gebieten des öffentlichen Lebens, . der Bildung und Humanität kennen gelernt. An diese Seite wendete sich Spe- ransky, um seinen Gebieter auf dem Wege der Reformen im Sinne des mo dernen Zeitgeistes borwärts zu treiben. Wie viel auch schon in den ersten Jahren durch die reforinatorische und organisatorische Thätigkeit des Selbstherrschers und seiner Freunde und Vertrauten geschehen war, noch immer hafteten dem Staats leben viele Gebrechen an. Manche Anordnungen waren gar nicht oder mangel haft ausgcführt worden, manche Einrichtungen standen mit den Zeitbedürfnissen nicht im Einklang; die Schritte für Befreiung und Besserstellung der Leibeigenen hatten nicht zu den Resultaten geführt, die Alexander bezweckte ; die Finanzlage war in Folge der Kriege, das staatswirthschaftliche Leben in Folge der Handels beschränkungen in Verwirrung und Verfall gerathcn; das Gerichtswesen lag aus Mangel eines geordneten Gesetzbuches im Argen. Alle diese Schäden und Gebrechen des gemeine» Wesens sollten nach Spcransky's Plaue durch Reformen im Geiste eines aufgeklärten Absolutismus nach dem Vorbildc der Napolconi- schcn Centralisation aller öffentlichen Gewalten geheilt werden. Alexander ging mit voller Seele auf Spcransky's Ideen ein und setzte durch sein unbegrenztes Vertrauen den einflußreiche» Staatsmann in die Lage, an alle Seiten des öffentlichen Wesens seine reformircnde Hand zu legen. Der Rcichsrath erfuhr eine Umgestaltung nach Art des französischen Staatsraths und wurde der eigent liche Mittelpunkt des gcsanimten Rcgierungs- und Verwaltungswesens; im Senat sollte eine Theilnng in verschiedene Tribunale oder Sektionen vorgenom- men werden; die Ministerien wurden zum Theil neu besetzt und die Geschäfts und Arbeitsteilung zweckmäßig eingerichtet; eine „Gesetz-Commission" trat ins Leben, welche unter der Leitung eines Livländischcn Juristen Roscnkanipff aus den älter» Rechtsbüchern und aus de» zahllosen Ukascn oder kaiserlichen Verord nungen ein gemeingültiges Gesetzbuch ähnlich dem Code Napoleon Herstellen sollte ; die Bcamtenhierarchic wurde i» der Art verändert, daß bei Slaatsäintern und Rangbcförderungen nicht mehr blos die Dienstzeit berücksichtigt, sondern auch Verdienste, Talente und Kenntnisse in Anschlag gebracht werde» sollten. Ein Manifest an die Nation verkündete eine neue Reform in der Finanzvcrwal- tung, wonach die Masse des Papiergeldes, um einer weitern Entwertung vor- zubeugeu, als Staatsschuld anerkannt und durch das gesanmite Ncichsvcrniögcn verbürgt werden und keine neue Ausgabe stattfinden sollte. Durch eine Erhö hung der Kopfsteuer, wobei man sich an den vaterländischen opferfreudigen Sinn des Adels wandte, durch eine Anleihe im Innern, durch Reformen im Zoll wesen und in den indirekten Abgaben, durch eine Veräußerung von Krongütern, jedoch mit Schonung der Kranbauern, und durch andere Mittel sollte der Staats haushalt in bessere Ordnung gebracht, Ausgabe und Eiunahme in Uebereinstim- nmng gesetzt und der finanziellen Zerrüttung ein Ende gemacht werden. Die