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380 V. Europa unter Bonapartischcm Einfluß. welche, wie sehr sie auch mit dem herrschenden Zcitgeistc in Widerspruch stehen mochte, in Spanien ihre Wirkung nicht verfehlte. Um allen Unruhen vorzu- bcugen, beschloß die französische Regierung in Rom die Abführung des Papste». Zu dem Zweck traf Miollis am Schlachttage von Wagram Anstalten, daß in «.Julims.der kommenden Nacht der Quirinal von Soldaten und Polizeimannschaft be setzt und Pins VII., als er sich standhaft weigerte, der weltlichen Herrschaft zu entsagen, mit Gewalt in einem bereit stehenden Wagen aus der Stadt gebracht ward. Napoleon suchte in der Folge die Schuld der gewaltsamen Wegführung auf Miollis zu wälzen, wie ehedem die Ermordung des Duc d'Enghien auf Savary; aber beide hatten den Sinn und die Absichten ihres Herrn erkannt, daher auch keiner für seinen übergroßen Eifer bestraft ward. Die Reise ging ohne Unterbrechung über Toskana und Piemont nach Grenoble und von da nach der dem Papste zum Aufenthaltsort bestimmten Seestadt Savona am Meerbusen von Genua. Mit der Zeit wurden alle Repräsentanten der Kirchcngewalt, die Cardinälc, die Ordcnsgeneralc nach Paris berufen, selbst die Insignien des Pon tifikats und das päpstliche Archiv dahin abgeführt. Aber auch in der abgelegenen Verbannnngsstätte war Pius VII., ein Fürst von einfacher Sitte, edler Bildung und bescheidenem zurückgezogenen Wesen, fern von Prunk und Nepotismus, ein Gegenstand der Verehrung für alle Gläubige». „Aller Augen sahen nach ihm hin; sein Widerstand gegen die Gewalt, sein Leiden, das man um so mehr mitfühlte, da es ein allgemeines war, hatten sein Ansehen unendlich vermehrt und es mit dem Glanze des Märtyrerthums umgeben". Dk-Kaistr Bon der E;coii»n»»icationsbullc wurde Napoleon wenig berührt, da er tan^m Kw darin nicht namentlich genannt ward und in solchem Falle nach einer älteren päpstlichen Verfügung der Verkehr mit dem Gebannten zulässig war. Für Bann und Interdikt, wie sie einem Gregor VII. zu Gebote standen, war das Zeitalter nicht mehr geschaffen. Die nach Paris berufene» Cardinälc, unter ihnen auch Lonsalvi, erklärten unumwunden die Excommunication für einen „Mißbrauch der Gewalt" und assistirten ohne Skrupel den kirchlichen Ceremonien, denen der Kaiser anwohnte. . Daunou bewies in einer Schrift über die weltliche Herrschaft der Päpste, daß Rom seine geistlichen Waffen immer dazu verwendet habe, seine weltliche Macht zu erhalten und auszubreiten, jede andere Hcrrschergewalt und Autorität in der Halbinsel zu unterdrücken. Dennoch bereitete dem Impe rator die Entzweiung mit dem Oberhaupt der Kirche, abgesehen von der morali schen Wirkung, manche Verdrießlichkeiten und Verlegenheiten. Da der Papst, den Bitten wie den Drohungen Napoleon's eine unerschütterliche Ergebung und passiven Widerstand entgegensetzend, als unfrei und des Rathcs der Cardinälc beraubt die Bestätigung aller von dem Staatsoberhaupt ernannte» Bischöfe ver weigerte, so suchte der Kaiser in Verbindung mit dem Erzbischof von Paris, Cardinal Maury, die freien Einrichtungen der gallikanischen Kirche zurückzu- führcn und schaltete eigenmächtig über die Bisthümer. Die vacanten Bischofs-