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378 X. Europa unter Bonapartischein Einfluß. reich und dessen italienischen Bundesgenossen eingche, denselben Freund und Feind wie jene anerkenne. Das päpstliche Gebiet, argumentirte er, bestehe nur aus Län dern, die einst Karl der Große, „sein erlauchter Vorfahr", dein Bischof von Rom verliehen, und sei nur ein kaiserlicher Lehnstaat. Allerlei Anzeichen deuteten darauf hin, daß der Imperator mit dem Gedanken umgehe, die ihm unbequeme geistliche Herrschaft in der Mitte der Halbinsel, welche den Engländern und den Bourbonen auf Sicilien Vorschub leiste, allen Malcontenten und Verschwörern eine Zufluchtsstätte gewähre, zu beseitigen. „Die Priester", äußerte er sich, „schicken sich nicht zum Regieren, denn, versenkt in ihre theologischen Studien, kennen sie die Menschen nicht. Rom hat die Welt genug in Unruhe gesetzt und das Jahrhundert verträgt die römischen Usurpationen nicht mehr. Die Aufklärung hat uns kennen gelehrt, welche Achtung man de» Dekreten des Vatikan schuldig ist, und Jedermann weiß jetzt, wie abgeschmackt es ist, die Herrschaft mit dem Priestcrthum, das Weltliche mit dem Geistlichen, die Krone mit der Tiara, das Schwert mit dem Kreuz zu vereinigen. Jesus Christus hat gesagt: inein Reich ist nicht von dieser Welt, also darf auch das Reich seines Statthalters nicht von dieser Welt sein. Zum Wohl der Christenheit, nicht aber damit Zwietracht in derselben gcsäet würde, hat Karl der Große den Päpsten die Herrschaft in Rom gegeben; da sie nun dieselbe mißbrauchen wollen, muß auch die Schenkung wieder aufgehoben werden. Pius soll nicht mehr souveräner Fürst, sonder» nur Bischof von Rom sein. Auf diese Art wird zugleich für das Bedürfniß der Religion und für die allgemeine Ruhe gesorgt". Auch mit kirchlichen Reformen ging Napoleon um. Er verlangte, daß der dritte Theil des Cardinal-Colle- giums aus französischen Prälaten zusammengesetzt werde. Er würde sich nicht scheuen, sagte er. die verschiedenen Kirchen, die italienische, gallikanische, deutsche, zu einem Concil zu vereinigen, dessen Autorität mehr Geltung habe als die des Pontifikats; er werde den Papst nur als Bischof von Ron, anerkennen, von gleichem Range wie die übrigen Bischöfe seines Reiches; er werde in dem Kirchenstaat dieselben Institutionen und Gesetze cinführen, die durch den Code Napoleon in Frankreich und in den übrigen Bundesstaaten zu Recht beständen, wie Aufhebung der Klöster, bürgerliche Eheschließung, Religionsfreiheit für alle Confessionen, Unterwerfung der Bischöfe unter die Staatsgcsetze u. A. m. B-fivnahm- Diese Entwürfe in die Wirklichkeit einzuführen war in den Jahren 1808 und 1809 Napoleon's sichtliches Bestreben. Zu dem Zweck besetzten französische 2. ffcbr. idW. Truppen unter General Mivllis bei dem Durchmarsch nach Nnteritalien die Stadt Rom sammt der Cngclsburg unter dem Vorwände, zu verhindern, daß neapolitanische Briganten oder englische Aufruhrstifter daselbst ein Asyl für ihre conspiratorischen Umtriebe fänden. Die Protestation des Papstes blieb ohne Be achtung. Miollis bemächtigte sich aller Zweige der Verwaltung und behandelte den Kirchenstaat wie eine Präfektur. Alle Cardinäle, die nicht als römische Uuterthanen geboren waren, mußten die Stadt verlassen. Die päpstlichen So!-