Volltext Seite (XML)
III. Die Jahre der Napolconischeii Weltherrschaft. 365 vertheidigt ward. Das Beispiel des befreundeten England, wo Gesetz und Freiheit in gleicher Achtung standen, im Gegensatz zu dem kaiserlichen Frankreich, „wo man die Kirche zertrümmert und die Presse geknebelt habe", gab den Liberalen eine starke Hand habe wider die Conservativen und Servilen, die sich nicht zu den modernen Anschauun gen aufschwingcn konnten. „Wir wollen alle edlen Empfindungen beflügeln und die schlechten verbannen", sagte der feurige Redner Oliveros. Mit dem unter dem Beifall einer großen Zuhörcrmcnge auf den Gallerten am 19. October angenommenen Gesetz über die Presse, welches die Jnguisitionsccnsur aufhob und die Ueberwachung aller Druckschriften einer von den Cortes eingesetzten Censur-Junta in jeder Provinz zuwics, war der Sieg der liberalen Partei entschieden. Nun wurde die „Patriotische Wochen schrift" Quintana's rasch das einflußreichste Organ der Reformer. Ein frischer Hauch der Freiheit zog durch die iberische Halbinsel. Man faßte den Beschluß, daß die Colo- nicn gleiche politische Rechte mit dem Mutterlandc haben und eigene Abgeordnete in die Cortes schicken sollten; als der Bischof von Orensc, Präsident der Regentschaft, das Dekret über die Volkssouvcrünctät nur mit einer beschränkenden Clausel beschwören wollte, wurde er und mit ihm die ganze Behörde zur Abdankung bewogen. Darauf s. Oct. i8i«. wählte der Congreß eine neue Regentschaft von drei Personen, darunter den General Blake, achtungswerthe Männer, die aber nicht die Kraft besaßen die Regierungsauto rität gegenüber den demokratischen Tendenzen einer constituirenden Versammlung nach drücklich zur Geltung zu bringen. Um dem finanziellen Nothstand abzuhelfen erklärte man, wie einst in Paris, die Kirchengüter für Nationaleigenthum und belastete die Adeligen und Vermögenden mit Progressivsteuern unter stark aufsteigenden Sätzen, mit Luxusauflagen und Zwaugsanleihcn. Aber nur in wenigen Provinzen ver- e mochte die Regierung die Steuern einzutreiben, die verlangten patriotischen Opfer zu erheben. Das Jahr 1810, das so manche Lichtstrahlen in das Chaos der spanischen Annexion». Verhältnisse geworfen, ging schließlich düster und mit wenig Aussicht auf Erlö- sung zu Ende. Die Belngerungsanstalten Victor's nahmen einen so bedrohlichen Charakter, daß man in der Versammlung sich berieth, ob man die Sitzungen nicht an einen andern Ort verlegen sollte. Nur die Unmöglichkeit, eine sichere Zufluchtsstätte zu erreichen, hielt die Vertreter der Nation in Isla de Leon und Cadix fest. Um dieselbe Zeit überlegte Napoleon ernstlich die Frage, ob er nicht seinem Bruder Joseph das spanische Sceptcr, das derselbe mit so unsicherer und schwacher Hand führte, wieder entziehen und die ganze iberische Halbinsel dem französischen Kaiserreiche einfügcn sollte, wie er kurz zuvor mit Holland gethan. Joseph würde bereitwillig dem Beispiel seines Bruders Ludwig gefolgt sein. Er bestürmte den Kaiser mit Bitten, ihn aus der verzweiflungsvollen Lage zu reißen. » „Um Ihres Ruhmes willen", schrieb er, „dürfen Sie den qualvollen Todeskampf Ihres Bruders auf dem Throne Spaniens nicht verlängern". Schon hatte Napoleon die uöthigen Vorbereitungen zu dem wichtigen Schritte getroffen; er wollte nur die Nachricht abwarten, daß seine Armeen Meister geworden über die Jnsurrcction und ihre englischen Beschützer. Aber die Nachrichten von den spanischen und portugiesischen Kriegsschauplätzen entsprachen keineswegs seinen Erwartungen.