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344 Europa unter Bouapartischem Einfluß. Rücksichtslosigkeit und brutales Benehme» die Unzufriedenheit und feindselige Stimmung dermaßen, daß es den Oesterrcichcru nicht schwer fiel, beim Wieder ausbruch des Kriegs die Tiroler durch Versprechungen zum Aufstand gegen die Baiern und Franzosen zu bewegen, zumal da die Priesterschaft, gereizt über die religiösen Neuerungen und kirchlichen Gcwaltschritte der neue» Herrschaft, ihren großen Einfluß auf das bigotte, leichtgläubige Bauern- und Jägcrvolk zu Gunsten der stammverwandten Nachbarn anwcndcte und alle Aenderungcn des Herkömm lichen und Ueberlieferten, auch wenn sie vvrtheilhaft und zweckmäßig waren, in dem gehässigsten Lichte darstelltc. Durch zuverlässige Boten wurde eine geheime Verbindung mit Erzherzog Johann, dem Liebling der Gebirgslande, unterhal ten. Im Vertrauen auf österreichische Hülfe griffen Tirols Gebirgssöhuc zu den bekannten Büchsen und richteten, gleich den Spaniern, von den Berghöhcn und Schluchten ihres Landes das sicher treffende Rohr aus die Franzosen und Baiern, um Gut und Blut für die alten Einrichtungen, für die Sitten und Gewohnheiten der Väter zu wagen. Der österreichische Feldherr CH aste l er, ein belgischer Emi grant, zog ihnen mit einer Heerabtheilung durch das Pusterthal zu Hülfe, wurde aber dafür als Urheber und Beförderer der Empörung von Napoleon geächtet und mit dem Tode bedroht, falls er ergriffen würde. An der Spitze der Insur genten stand Andreas Hofer, „der Bärtige", Sandwirth im Pnfseyrthalc, in jener großartigen, düster» Alpenregion, „in deren südlichem Ausgange die Rebe und der Feigenbaum an den Felswänden wild emporwächst, während in dem nördlichsten Gebiete, dicht an der Schnee- und Eiswclr, selbst die Tanne ver schwindet", ein Mann von hohem Ansehen bei seinen Landsleuten, sowohl wegen seiner Körpcrstärke und Tapferkeit, als wegen seines religiösen Eifers, seiner vaterländischen Gesinnung, seines ehrenfesten Charakters, und seines geraden, treuherzigen Wesens. Klügere und tiefer blickende Männer, wie Hormayr, der Geschichtschreiber seines Vaterlandes und dieses Krieges, benutzten Hofer's Ein fluß auf die Tiroler, um die Volksbewegung über das ganze Land und das be nachbarte Vorarlberg zu verbreiten. Er und der Erzherzog Johann erließen beredte Aufrufe, worin sic zur Ehre und zum Heil des Vaterlandes verlangten: „Waffen und ein alttirolischcs Herz und so viel männlichen Entschluß, um einige Mühseligkeiten und Gefahr der bisherigen Knechtschaft und einer noch ärgeren Zukunft vorzuziehcn". Neben Hofer waren der kühne, starke und schlaue Speck bacher, „der Mann von Rinn", Martin Teimer von Schlandcrs und Joseph Straub die Seele des Aufstandes. In einer mächtigen, aber kargen Natur, wo der Mensch mühevoll dem spröden Boden oder der unstätc» Laune des Himmels das Nothwendigc abringe» muß, ist das Volk mehr als sonst geneigt, „die Ge fahr des Lebens gering zu achten und für das Wenige, was diesem bescheidenen Dasein Werth und Reiz gibt, bereitwillig Alles einzusetzen". In festlichen Auf zügen mit Jubelruf und Glockengeläute cmpflngeu sie die österreichische» Truppen als Befreier, und wie ein Blitz zuckte der Aufstand durch das ganze Land.