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HI. Die Jahre der Napolconischen Weltherrschaft. 331 Waffenbrüderschaft zu gewinnen. Wohl hätte jetzt Alexander Gelegenheit gehabt, die Aufgabe zu lösen die er früher mit so großer Vorliebe zur Schau getragen, nämlich als Schiedsrichter Europa's aufzutreten; aber er hatte längst die „Phan tasiepolitik" einer praktischeren „Politik der Interessen" zum Opfer gebracht; er hatte an dem Raube Napoleon's sich betheiligt und konnte daher keiner europäi sche» Cvalition, die eine Politik der Gerechtigkeit und Uneigennützigkcit voraus setzte, die Hand bieten. Cr zog es vor, Zuschauer des Kampfes zu bleiben, die Resultate abzuwarten und zu Rußlands Vortheil zu vcrwerthcn. Dabei stellte er ein Armeecorps an der galizischen Grenze auf, das den Operationen Napo leon's in demselben Grade zu Statten kam als es in Wien Mißtrauen und Ver dacht erwecken mußte, und bewog das Berliner Cabinet sich ruhig zu verhalten. Für Friedrich Wilhelm III., der im vorhergehenden Winter mit seiner Ge mahlin dem Petersburger Hof einen Besuch abgestattet und mit großen Festlich keiten und Frcundschaftscrweisungen gefeiert worden war, schien die Zeit noch nicht gekommen, an der Seite des Kaisers Franz die Schmach von Tilsit auszu löschen. Er wollte ohne den Zaren, zu dem er das größte Vertrauen hegte. Nichts unternehmen. So blieb Oesterreich in seinem Kampfe gegen Napoleon aus die eigene Kraft und den Kricgsmuth der Armee gewiesen. Die Hülfe, die ihm durch Geheimbünde, conspiratorischc Umtriebe, Aufstände und vereinzelte militärische Erhebungen zugeführt ward, erregte in den Hof- und Regicrungs- kreisen Mißtrauen und Bedenken. Selbst der Volkskrieg in Tirol entsprach so wenig den alten Traditionen der Monarchie, daß man ihm nur insgeheim Vorschub leistete. b. Der Donaufeldzug und Napoleon'- zweiter Einzug in Wien. Im April des Jahres 1809 eröffnetc Oesterreich den Krieg gegen das fran-D>, Anfang, zösische Kaiserreich auf allen Seiten. Während Erzherzog Karl mit dem Haupt- " ^ Heer gegen Baicrn vordrang und die Isar überschritt, brach der Erzherzog Johann von Kärnthen auf, stieg unter Schnee und Sturm über die Alpen und warf sich auf das französisch-italienische Heer, das unter dem Vicekönig Eugen nach dem Tagliamento im Anzug war, zugleich in dem Tiroler Gebirgsland das Feuer des Volkskriegs anschürend. An der Weichsel stand Erzherzog Ferdinand, von der Nebenlinie Este, um die polnische Hülfsarmec des Großhcrzogthums Warschau, die unter Fürst Joseph Poniatowski das österreichische Galizien bedrohte, zu be kämpfen. Auch ein russisches Heer von 32,000 Mann unter dem Oberbefehl von Galizyn war in der Nähe, jedoch mehr um den Schein der Napoleon'schcn Bundesgenossenschaft zu wahren, als den Oesterrcichcrn ernstlich zu schaden und sich solidarisch mit den Polen zu verbinden. Der Feldzug wurde nicht mit der Kraft und Schnelligkeit eröffnet, die gegenüber einem so genialen Führer wie Na poleon allein Aussicht auf entscheidende Erfolge gehabt hätte. Hatten die Oester-