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330 Europa unter Boiiapartischcm Einfluß. behaupten, um Deutschland die Unabhängigkeit und Nationalchre wieder zu verschaffen, die ihm gebühren. Dieselben Anmaßungen, die uns jetzt bedrohen, haben Deutschland bereits gebeugt. Unser Widerstand ist seine letzte Stütze zur Rettung; unsere Sache ist die Sache Deutschlands. Mit Oesterreich war Deutschland selbständig und glücklich; nur durch Oesterreichs Beistand kann es wieder beides werden. Deutsche! Würdigt Eure Lage! Nehmt die Hülfe an, die wir Euch bieten! Wirkt mit zu Eurer Ret tung!"— Noch kühner lautete die Sprache einiger Actcnstückc, die ohne Unterschrift zugleich mit dem Vorrücken der österreichischen Armee verbreitet wurden. Die Dcmü- thigung Deutschlands seit 1805 und 1806 war darin mit feurigen Worten geschil dert: die Beraubung und Knechtschaft, die westfälische Schmach, das Aufdringen fremder Gewalten und Ordnungen, das Wegsühren deutscher Zugend in den spanischen Vernichtungskrieg. „Es sind", heißt es in einem dieser Manifeste, „nicht die gewöhnlichen Armeen, die zu Eurer Hülfe hcrbcieilen. Nein! Sie sind von Vaterlandsliebe, von Abscheu gegen fremde Unterjochung und Tyrannei entflammt! Sie kämpfen für sich, für Freiheit und Elgcnthui», für Nationalcxistcnz, für Vaterland und Recht, für ihren angebcteten und gerechten Fürsten! die Waffe der Nation selbst hat sich in ihrem ge rechten Unwillen erhoben und die Waffen ergriffen! .... Der jetzige Augenblick kehrt nicht zurück in Jahrhunderten! Ergreift ihn, damit er nicht für Euch aus immer ent flicht ! Ahmt Spaniens großes Beispiel nach!" In Oesterreich mochte man des Glaubens leben, es bedürfe nur eines kräf tigen Anstoßes und Beispiels, um in ganz Europa, insbesondere in Deutschland einen allgemeinen Völkerkampf gleich dem spanischen zu entzünden. Die durch die Handelssperre, die Kriegsnoth, die fremden Garnisonen erzeugte Unzufrie denheit, die tiefe Bewegung der Gemüther in Norddeutschland, das drückende Gefühl der nationalen Erniedrigung berechtigten zu der Hoffnung, daß die deut schen Regierungen, fortgeriffen durch die Stimmung der Völker und die öffent liche Meinung, sich dem Kriege gegen die fremde Zwingherrschaft anschließen würde». Aber noch ivar der Glaube an die Unüberwindlichkeit der Franzosen und die Furcht vor dem Eroberer und Schlachtengcwinner zu groß, als daß die Fürsten des Rheinbundes es gewagt hätten, dem Gewaltigen, in dessen Macht cs stand, sie zu erhöhen und zu stürzen, cntgcgcnzutretcu. Der Zauber des kai serlichen Namens wirkte noch zu mächtig; die süddeutschen Soldaten wurden in den Rausch des Ruhmes, der die Franzosen begeisterte, hineingerissen. Auch blickte man mit Mißtrauen auf die plötzliche Wandlung Oesterreichs, das bisher der Hort und die Stütze aller reaktionären Bestrebungen, aller dunkeln freiheits feindlichen Gewalten, nun auf einmal „den Schrecken der Revolution" auf deut schen Boden verpflanzen wolle. Ein Manifest des Königs von Baicrn beschwerte sich in bitterem Tone über die verführerischen Proklamationen, „welche nur die Rechte der Souveräne angriffen und eine» die bürgerliche Ordnung untergra benden Schwindelgeist zu verbreiten suchten". Auch der König von Würtcmbcrg ereiferte sich über die „Ausbreitung demagogischer Grundsätze". Ja in Oesterreich selbst waren viele vom alten Adel der Entfesselung volksthümlichcr Kräfte ab geneigt. — Ebenso erfolglos waren die Bemühungen, den Kaiser von Rußland von dem Erfurter Freundschaftsbund mit Napoleon loszureißen und für die alte