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III. Die Jahre der Napoleonischen Weltherrschaft. 311 der Nation auf Grund einer Constitution, welche einen Senat und eine Volks vertretung unter dem alten Nanien Cortes dein Thron zur Seite stellte, alle poli tischen und socialen Errungenschtftcn der französischen Revolution de», Volke als Brautschatz darbot, ein neues Gesetzbuch verhieß, die katholische Religion als Staatsreligion erklärte und die Unabhängigkeit des Königreiches gewährleistete? Konnte nicht Spanien, von einem unfähigen altersschwachen Königthnm befreit und von einem Fürsten regiert, der sich durch persönliche Tugenden und hohe Bildung nuszeichncte, endlich an den Reformen und Fortschritten Thcil nehmen, deren sich alle Völker Europa's erfreute»? Sollten nicht alle patriotischen Herzen einer Staatsform entgcgenschlagen. welche, wie ein kaiserliches Manifest vom 25. Mai verkündete, „die heilige und wohlthätige Autorität des Souveräns mit den Freiheiten und Privilegien des Volkes vereinigte?" Aber wie oft zerschellen die Gebilde des Verstandes, die Resultate kluger Ucbcrlcgung und Berechnung an den Wogen elementarer Natur- und Volkskräfte! Blau hat in dein geknech teten Europa jener Tage mit Bewunderung auf eine Volkserhebung geblickt, die wie eine vulkanische Erschütterung sich plötzlich über den ganzen Boden Spa niens verbreitete, man hat den Heldengeist gepriesen, der mit instinktiver Kraft alle Klaffen zum Kampfe trieb gegen Vergewaltigung; allein die späteren Ge schlechter beklagten den Sieg der populären Leidenschaften und der wilden Volks- gcwalt über Vernunft, Bildung und Intelligenz! Und in wessen Namen und Interesse vergoß das spanische Volk sein Herzblut? Kür einen Fürsten, der im sichern Asyl auf Schloß Balcncay dem Kampf unthätig und und Md/», thcilnahnilos zusah; der dem König Joseph einen glückwünschenden Brief zur Thron- besteigung schrieb und bei Napoleon immer und immer wieder um die Hand einer Bo- napartischcn Prinzessin und um die Ehre einer Adoption bettelte, der die Geldsummen, die ihn» England zur Bewerkstclligung seiner Flucht zukommen ließ, annahm und müßig vergeudete! Aber so unwürdig sich Ferdinand jetzt und in der Folge der Opfer und Hingebung seines Volkes immer zeigte, bei der Anarchie und chaotischen Verwirrung, die nach dem frevelhaften Jntriguenspiel über Spanien hercinbrachcn, war cs noch ein Glück, daß der Name des Königs-Jnfanten das Banner war, unter dem sich alle antifran- zösischcn Parteien vereinigen konnten. Häufig genug trat die Versuchung heran, durch Aufstellung anderer Oberhäupter, durch Errichtung einer Regentschaft, durch Ucbcrtragung der Kronrcchte auf die Bourbon'schcn Prinzen im Auslände oder gar auf den Erzherzog Karl, den Abkömmling jenes Habsburgers, für den einst die Aragonicr im spanischen Erbfolgekricg so tapfer gestritten, zu dem Unabhängigkeitskampf auch noch einen revolu tionären Bürgerkrieg zu fügen: aber trotz aller Ränke und Umtriebe der Ehrgeizigen blieb die höchste Autorität bei solchen Regierungsorganen, die aus dem Schooße des Volks selbst hcrvorgingcn und als Stellvertreter ihres rechtmäßigen Königs gelten wollten. Sowohl die Provinzial- und Lommunal-Junten, die sich meistens aus schon bestehenden Behörden entwickelten, als die von Abgeordneten derselben zusammengesetzte oberste „Ccntral-Regicrungs-Junta", mit fünf geschäftlichen Sectionen, zuerst in Aran- jucz, dann in Sevilla, leiteten ihre Rechte und Befugnisse von der Krone her. Die englische Regierung leistete dieser dynastisch-nationalen Idee Vorschub, indem sie in dem Allianzvertrag mit der spanischen Central - Junta (am 14. Januar I8V9) sich ver pflichtete, nie einen andern König von Spanien anzuerkcnnen als Ferdinand VII.,