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308 V. Europa unter Bonaparlischem Einfluß. aufstcigcn. Hatte er doch schon am 3. Mai das königliche Schloß in Madrid bezogen. Diese Hoffnung wurde jedoch bald vereitelt. D.r ich« Air Dem französischen Kaiser kam der Madrider Aufstand ganz gelegen. Seit ' ,pi!» den Erfahrungen von Kairo war er der Meinung, ein niedcrgcworfcner Aufruhr B.n-nmt hejffamm Schrecken im Gefolge, sei für ein neues Regiment das sicherste Pfand dauernder Ruhe. Und zugleich lieferte der Vorgang ihm eine wirksame Waffe gegen Ferdinand in die Hand. Denn der Verdacht lag nahe, daß der Jnfant-König heimlich die Junta und den Rath von Castilicn zum Widerstand aufgereizt habe und somit der eigentliche Urheber des Maiaufstandes sei, durch den französisches s. Mm ibas. Blut vergossen worden. Kaum hatte Napoleon Murat's Depeschen gelesen, so eilte er zu dem alten König und forderte ihn mit zorniger Miene auf, dem rebellische» Treiben des Sohnes ein Ende zu machen. Darauf fand die berühmte Zusammenkunft der Königssamilie statt, welche den Bourbon'schcn Namen mit ewiger Schmach und Schande bedeckte. Als Ferdinand und Don Carlos vor den Eltern erschienen, erzählt Baumgarten, „brach die ganze Rohheit ihres Ge- niüths in wahrhaft entsetzlicher Weise hervor. Man wußte nicht, was eckelhaftcr war, der tobende Jähzorn dieses alten Mannes oder die giftige Wuth dieser Mutter, die wie eine Megäre auf Ferdinand losfuhr. Selbst Napoleon empfand etwas wie Schaudern über diese Scene, die ihm doch so sehr erwünscht war. Was sind das für Menschen! rief er in sichtlicher Aufregung, als er nach Schloß Marrac zurückkehrte". Nach diesen Auftritten erfolgte der Schlußakt des Ba- yonner Jntriguenspiels ganz nach dem Sinne Napoleons. Ferdinands Wider standskraft brach zusammen als ihm der Kaiser drohend erklärte, wenn er dem Vater nicht unbedingt die königliche Macht zurückgcbe, werde er als Rebell bc- «. Mai. handelt werden. Er meldete in einem demuthsvollen Schreiben an Karl IV., daß er zu Gunsten Sr. Majestät auf die Krone verzichte, und stellte sich und seinen Bruder unter den Schutz des Kaisers. Zugleich machte er der Junta Mit theilung von seiner Thronentsagung, widerrief die ihr ertheilten Vollmachten und forderte sie zum Gehorsam gegen die Anordnungen des Vaters auf. Inzwischen hatte Godoy im Einvernehmen mit Napoleon eine Urkunde aufgesetzt, in welcher Karl IV. alle seine Rechte auf den spanischen Thron an den Kaiser der Fran zosen abtrat, als den „einzigen Souverän, der unter den gegenwärtigen Um stände» fähig ist die Ordnung herzustellen". Mit der Festsetzung der Jahrcs- renten und Entschädigungen an das Königspaar und die drei Jnfanten, im Betrag von etwa zehn Millionen Francs, endigte der diplomatische Gewaltakt ' von Bayonne. Ferdinand, dessen verstocktes zurückhaltendes Wesen dem Jm- ii. Mai. perator auffiel, wurde nebst seinen Brüdern nach Schloß Valencay, einem Be sitzthum Talleyrand's gebracht und der Aufsicht dieses Staatsmannes empfohlen. Er sollte für Zerstreuung und Unterhaltung des Prinzen von Asturien sorgen, ein wachsames Auge auf ihn haben und ihm Gelegenheit geben, sich mit einer schönen Frau von zuverlässiger Gesinnung einzulassen. Einige Tage nachher