306 -V Europa unter Bouapartischcm Einfluß. war Godoy, den die Regierungsjunta auf Murat's Verlangen in Freiheit ge setzt, in Bayonne eingetroffen und vier Tage später folgten ihm Karl IV. und Marie Luise. Sie wurden mit königlichen Ehren empfangen. Selbst Ferdinand und der Jnfant Don Carlos warfen sich vor den abgedanktcn Majestäten auf die Knie. Wie freute sich Marie Luise, die mit der Leidenschaft einer Furie ihren Sohn haßte und die Schaale ihres Zornes in de» heftigsten Vorwürfen und Be schuldigungen ausgvß, als sic bei der ersten Zusammenkunft mit Napoleon er fuhr, daß er weder die durch einen revolutionären Akt hcrvvrgerufene Abdankung Karls IV. gelten lasse, noch die Thronbesteigung des Fürsten von Asturien an erkenne! Sie mochte eine Zeitlang der frohen Hoffnung sich hiugeben, es könne Alles wieder rückgängig gemacht werden und das königliche Ehepaar mit dem geliebten Günstling, den die ausgestandenen Leiden ihrem Herzen noch näher gerückt, wieder wie ehedem im Cscurial aller Macht und Herrlichkeit genießen. Aber der Friedensfürst hatte die Volksstimmung kennen gelernt; er überzeugte die beiden Majestäten, daß die Rückkehr zum Throne gleichbedeutend sein würde mit der Rückkehr in Sorgen und Angst; besser sei es auf die Vorschläge Napo- lcon's einzugehen, der ihnen eine ihres Ranges würdige Existenz, einen glän zenden Palast mit genügendem Einkommen in Frankreich anbiete. Godoy erblickte in dem französischen Kaiser den Retter seines Lebens, den Beschützer seiner Zukunst und suchte ihm daher aus Dankbarkeit und in der Hoffnung auf Belohnung ganz zu Willen zu sein. Und sollte nicht das spanische Königspaar lieber in Sicherheit und mit dein Freunde vereint in der Fremde leben als über ein Volk herrschen, das ihnen so verletzende Beweise von Haß und Verachtung gegeben? Es galt nur einen Weg zu finden, das Geschehene rückgängig zu machen. Eine mündliche Unterredung zwischen den Gliedern des Bourbon'schen Königshauses nahm durch die Schmähungen und Verwünschungen der rachcdür- stenden Königin, durch die Drohungen und Vorwürfe des schwachsinnigen alten Königs einen so aufregenden unwürdigen Charakter an, daß man zum schrift lichen Verkehr übergehen mußte. Karl IV. verlangte, daß der Sohn der ihm übertragenen Königswürde wieder entsage; dieser wollte es nur unter der Be dingung thun, daß der Vater durch einen feierlichen Akt vor den Cortes die Abdankung widerrufe, die Krone wieder selbst an sich nehme und wie früher in Spanien rcsidire. Wolle Karl IV. ans die Krone verzichten, so sei Ferdinand bereit in dessen Namen zu regieren; in eine Abtretung der ihm durch die Grund gesetze des Reichs gewährleisteten Rechte und Ansprüche werde er niemals willi gen. Dies war keineswegs nach dem Sinne Napoleon's und seines Schildträgers Godoy. Der Prinz sollte dahin gebracht werden, die Krone, die er sich mit Hülfe eines Volksaufstandes widerrechtlich angemaßt, bedingnngslos dem Vater zu- rückzugeben, und dieser damit in die Lage gesetzt werden, frei über dieselbe zu verfügen. Daß das alte Königspaar den Gedanken an eine Rückkehr nach dem revolutionären Spanien verabscheute, war in den Bonapartischen Kreisen eine