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298 Europa unter Bonapartischcui Einfluß. zu sein. In einer Unterredung mit Lucia» Bouaparte in Mantua suchte er diesen zu bestimmen, ihm das Schicksal seiner Tochter zur Verfügung zu stellen. Ja er war bereit, den Bruder selbst zum König von Portugal zu ernennen, wenn er seine Gemahlin verstoßen würde. Aber Lucia» fügte sich nicht so un bedingt dem kaiserlichen Willen wie die übrigen Geschwister. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der französische Machthaber sich schon längere Zeit mit dem Plane getragen, dieses faule und verworfene Vvurboncnrcgiment in Spanien zu be seitigen und die pyrenäische Halbinsel unter französisch-bonapartischen Ein fluß zu bringen. Der letzte Zweig der Bourbonen hatte sich selbst verlassen: warum sollte Napoleon nicht seinen Licblingsgedankcu verwirklichen, das ver haßte, verachtete und doch immer gefürchtete Geschlecht von dem letzten Throne herabzuwerfen, nachdem cs diesem Throne mit eigenen Händen die letzten Stützen zerbrochen? Daß dabei die ganze macchiavcllistischc Staatsklughcit. alle jene Jntrignen und diplomatischen Winkelzüge, die der Imperator so meisterhaft zu handhaben verstand, in Anwendung kommen würden, war von seinem treulosen politischen Charakter, seiner Falschheit und Verstellungskunst, seiner Virtuosität im Täuschen, im Jrreführen und Verbergen seiner wahren Absichten mit Sicher heit zu erwarten. War das Bonrbonische Königreich bisher von der Revolution und ihrem mächtigen Sohne mit mehr Gunst und Schonung behandelt worden, als die meiste» andern Staaten, so sollte jetzt die Schale des Zornes, der Ee- waltthätigkeit, des nationalen Unglücks in desto größerer Fülle über das Land ausgegossen werden. MiNlärischc Im Februar des Jahres 1808 kamen allerlei Symptome zum Vorschein, Unruhe n, tm welche ans neue große Ereignisse hindeuteten. Mnrat wurde angewiesen, sich ' schleunig nach Spanien zu begeben, um den Oberbefehl über alle französischen Truppen, die in Burgos, Valladolid und andern Orten ausgestellt waren, zu übernehmen. Einen Brief, worin der schwache gutmüthige König Karl IV. unter Betheuerung seiner Ergebenheit und seines Vertrauens gegen Napoleon sich nach der Ursache der militärischen Bewegungen und nach den Absichten des Kaisers erkundigte, von dessen Wohlwollen und freundschaftlicher Gesinnung er NM.' überzeugt sei, beantwortete Napoleon mit unbestimmten vieldeutigen Redensarten und mit Vorwürfen, als ob er der Beleidigte wäre; der spanische Gesandte Jzqnierdo, der in Paris erforschen sollte, was man vorhabe, empfing durch 28. Febr. Duroc den Rath, sich nach Madrid zu begeben. General Duchesne besetzte Bar celona, nachdem sich d'Armagnac zuvor der Citadellc von Pampclnna durch eine Kriegslist bemächtigt hatte. Auch Fort Monjuich wurde de» Franzosen einge räumt. Die kaiserlichen Soldaten hatten den gemessensten Befehl, die strengste Disciplin und die freundlichste Haltung gegenüber den Einwohnern zu beobachten. Es sollte die Meinung erweckt werden, die Franzosen kämen als Freunde und Befreier. Beauharnais wurde über die Pläne und die Politik des Kaisers im Unklaren gehalten, damit er auf alle Anfragen von Seiten der Regierung und des