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286 Europa unter Bonapartischcni Einfluß. Friedrich von Würtembcrg, Katharina, sollte den neuen westfälischen Thron schmücken. Ucber das tolle Treiben, das sich jetzt in Kassel erhob, hat die Skandalchronik eine reiche Ucbcrlieferung aufbewahrt, und wenn auch Verleumdung und Lästerung Manches übertrieben haben mag, so bleibt doch genug von der schamlos unwürdigen Wirtschaft unbestreitbare Thatsache. Der üppige glänzende Hof wirkte um so bestrickender und vergiftender auf die alte Zucht und Ehrbarkeit des Landes und namentlich der Haupt stadt, je einförmiger und karger es unter dein vertriebenen alten geizigen Kurfürsten Wilhelm hergegangen war. Der neue König und die hungrige Schaar von Glücksrit tern, Abenteurern, Komödianten, Schwelggeuossen, leichtfertigen Weibern, betrachteten das Reich als einen Tummelplatz für ihre Lüste, Genüsse und Erpressungen; unfähige und gewissenlose französische Beamte wurden mit den höchsten Aemtcrn betraut; die schwachen und willfährigen deutschen Staatsmänner, die sich zu Stützen dieses unwür digen Regiments hergaben, wie der Freiherr von Vülow, Hardenbergs Neffe, der be gabte aber undeutsch gesinnte und gegen die Gewalthaber fügsame Äalchus, der Ge schichtschreiber Johannes Müller aus Schaffhauscn jXIII, 716), waren nicht fähig, dem übermächtigen französischen Einfluß entgegenzuwirken. Fremde Minister, wie Jollivct, Simeon, Beugnot, Le Camus, führten die Regierung in dem kerndeutschen Lande. Das neue System des französischen Cäsarenlibcralismus wurde auch hier cingeführt; eine Verfassung verhieß Gleichheit vor dem Gesetz, Religionsfreiheit, Auf hebung der Privilegien, der Leibeigenschaft, des Zunftzwangs, gleiche Besteuerung, eine Vertretung durch Neichsständc und andere Grundrechte; das französische Gerichtsver fahren, der Code Napoleon, die Conscription wurden eingeführt, die feudalen Lasten aufgehoben, das Stcuerwescn regulirt, die Verwaltung und Einthcilung des Landes nach dem Muster des großen Nachbarrcichcs eingerichtet. Die neue Gesetzgebung ent hielt auch in der That viele Fortschritte und Wohlthaten, allein sic war überhastet und künstlich aufgepfropft; sie konnte in dem fremden Boden nicht Wurzeln schlagen, blieb zum großen Theil nur ein Blatt Papier oder eine Phrase und wurde unter dem gleichzeitigen System des Despotismus, unter brutalem Militär- und Polizeidruck ver kümmert, die Neichsständc waren nur ein Schein. II. Gewaltherrschaft und Völkerkämpfe. 1. Die Ereignisse in der pyrenäischen Halbinsel, a. Occupatio» von Portugal. Napei-on'« Nachdem Napoleon in Frankreich den kaiserlichen Absolutismus auf die ''""Ec' Spitze getrieben und sich der Mitwirkung des russischen Kaisers bei seinen welt umfassenden Herrscherplänen versichert, schritt er zur Ausführung der schon län gere Zeit gehegten Idee, die südlichen und westlichen Staaten Europa's politisch und dynastisch auf das Engste an das französische Kaiscrthnm zu knüpfen. Die unerhörten Kriegsersolgc gegen die Contiueutalmächte, das gemeinsame roma nische Blut in den südwestlichen Völkerschaften Europa's, das Bestrebe», die politischen Traditionen des alten bourbouischen Frankreich in dem neuen kaiser lichen Reich zu verwirklichen und zu überholen, der Wunsch, dem feindseligen