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244 Europa unter Bonapartischem Einfluß. Verhältnissen, die zwischen der Türkei und dein Moskowiterreich fortbestanden und bald wieder zu neuen Waffengängen an der Niederdonau führen mußten, hatte cs Napoleon stets in der Hand durch diplomatische Einwirkungen das Feuer zu schüren und durch militärische Unterstützungen die Widerstandskraft der Pforte zu stärken. Und auch im skandinavischen Norden wußte der Imperator den be freundeten Zaren in die Sphäre der französischen Interessen zu verflechten, ihn zum fügsamen Werkzeug der eigenen Politik zu machen. In Petersburg hatte man es schon längst mit Verdruß empfunden, daß die Grenzen von Schweden die Hauptstadt zu nahe berührten, daß Kanonenschüsse, die in Finnland abge- seuert würden, an der Newa gehört werden könnten. Man hatte noch nicht ver gessen, welchen Schrecken dermaleinst der schwedische Krieg am Ende der achtziger Jahre in den Hofkrcisen und unter der russischen Aristokratie erzeugt hatte. Ließ sich je ein günstigerer Zeitpunkt denken, diesen Mißstand zu beseitigen, als der Tilsiter Friedensschluß, in dem sich Napoleon und Alexander zu Schutz und Trutz, zur gemeinschaftlichen Beherrschung Europa's die Bruderhand reichten, sich verpflichteten, jeden Staat mit vereinten Anstrengungen zu bekriegen, der cs noch mit England hielte oder den Zwangsmaßregeln gegen die britische Seeherr schaft nicht Folge leisten würde? Wenn Alexander mit Hülfe des neuen Bundes genossen das Reich ausdehnte, konnte er hoffen, daß sich der russische National stolz, der mit Unmuth auf die untergeordnete Stellung des Zaren gegenüber dem französischen Imperator blickte, mit dem Tilsiter Vertrag aussöhnen würde. C'mmcm-ii Im Cinverständniß mit England befanden sich noch immer Schweden, Däne- schaft und mark und Portugal. Es wurde also beschlossen, an die Regierungen dieser drei Lriticialur. Staaten die Aufforderung ergehen zu lassen, den englischen Schiffe» und Maaren ihre Hafen zu verschließen und dem großen europäischen Völkerbund beizutreten, durch welchen das britische Jnselreich gezwungen werden sollte, seinem angemaßten Seerecht zu entsagen und die eroberten französischen, spanischen und holländischen Colonien herauszugeben. Im Falle einer Weigerung sollten sie mit den Waffen angegriffen werden. Dieses Bündniß zwischen den beiden mächtigen Potentaten befand sich unter den geheimen Artikeln der Tilsiter Friedensurkunde. Allein die britische Regierung erhielt Kenntniß davon und beschloß Gewalt niit Gewalt ab zuwehren. Dies gab Veranlassung zu neuen Umwälzungen und Völkerkriegen, zu einem Kampfe auf Leben und Tod zwischen den continentalen Mächten unter Frankreichs diktatorischer Führung und dem britischen Seestaat. Es war ein Glück für die Selbständigkeit Europa's, daß England diesen ungleichen Kampf aufnahm, daß die Londoner Regierung, anstatt den scheinbaren Vcrmittelungsvorschlägen des von Napoleon's Netzen umstrickten Zaren Gehör zu geben und sich die Früchte vieljährigcr Anstrengungen rauben zu lassen, entschlossen zum Schwert griff, im Gegensatz zu den Fürsten des Festlandes, die meistens den Machtsprüchen des Gewaltige» sich beugten, der unterdrückten Völker sich annahm, einen Wider stand organisirte und in Thätigkcit hielt, an dem schließlich die aufs Höchste