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III. Die Jahre der Napoleonischen Weltherrschaft. 241 Aus dm preußischen Besitzungen links der Elbe und andern occupirten Ländern, Kurheffen, Braunschwcig, Südhannover, wurde ein Königreich Westfalen für den jüngsten Bruder des Kaisers, Hieronymus, gebildet, mit der Verpflichtung, in Magdeburg eine Besatzung von 12,000 Mann zu unterhalten, dem Kaiser die Hälfte des Ertrags der Kammergütcr abzugeben und als Genosse des Rheinbunds sein Trup- pcncontingent zu den ferneren Kriegen zu stellen. Die früher polnischen Besitzungen (Südprcußen, Ncuschlesien, Neuostpreußen, Theile von Westpreußen mit Thorn, die Kreise Michelau und Culm), wurden als „Herzogthum Warschau" losgetrennt und dem König von Sachsen als rheinbündischer Vorposten gegen Rußland und Oester reich übergeben, nachdem mit den reichen Domänen französische Generale ausgestattet worden. Auch der Cottbuser Kreis wurde an Sachsen, der Kreis Bialystock in Neu ostpreußen an Rußland abgetreten. Das Fürstenthum Baireuth kam (freilich thatsäch- lich erst nach drei Jahren) an Baiern. das preußische Ostfriesland und das russische Jever an Holland, welches seinerseits einen Theil von Seeland und andere Gebietsthcilc an Frankreich abtrat; westfälische Landschaften wurden mit dem Murat'schcn Groß- hcrzogthum Berg vereinigt. Die Stadt Danzig mit dem umliegenden Gebiet wurde zu einem unabhängigen Freistaat unter preußisch-sächsischem Schutze erklärt, um in Wahrheit unter einem französischen Gouverneur sieben Jahre lang ein Stützpunkt Frank reichs an der Ostsee und ein Sammelplatz Napolconischer Truppen im Herzen des preu ßischen Staates zu sein, ebmso wie die zunächst unter französischer Herrschaft verblei bende Festung Erfurt in Mitteldeutschland. Hannover wurde als Ausgleichsobjekt für den künftigen Frieden mit England zurückbehalten, später mit dem Königreich Westfalen vereinigt. Und mit der Schmälerung des Gebietes war cs noch nicht genug. Preußen mußte sich verpflichten, die Handclsfeindscligkcitcn gegen England mitzumachcn, jeden commcrcicllcn Verkehr mit dem Jnsclreich abzubrechen, sich an dem ferneren Krieg gegen dasselbe zu bcthciligen. Die preußische Hccresmacht wurde vertragsmäßig auf 45,000 Mann beschränkt, in den Odersestungen Stettin, Küstrin und Glogau mußten franzö sische Besatzungen geduldet werden. Auch durch Militär- und Handelsstraßen wurde der dürftige Rest der preußischen Monarchie verkümmert. Durch erzwungene Deutungen und offenbare Vertragsverletzungen gestalteten sich die Räumungsbedingungen in der Hand des harten habgierigen Intendanten Daru zu einer unversiechiichcn Quelle der Drangsal und Mißhandlung, der Bedrückung und Erpressung. Die unerhörte Summe von einhundertfünfzig Millionen Thalcr Kriegsentschädigung fügte zu dem politischen den finanziellen Ruin des Landes hinzu. Der russisch-bonapartischc Wcitherrschastsplan, der damals die Gedankenkreise der ä»"^i,ch^ beiden Kaiser erfüllte, gelangte auch in den geheimen Bundcsvcrträgen zwischen den beiden Mächten zum Ausdruck. In besonderen Traktaten, die theilweisc in der Folge abgclcugnct wurden, kam man über die Modalitäten der russisch-napolconischen Dictatur in Europa überein ; man traf Verabredungen über einen Waffenbund gegen England, über Ausdehnung und Vervollständigung der französischen Continentalsperrc. Das türkische Reich mit Ausnahme Constantinopels gab Napoleon den Russen preis, wo gegen diese den Franzosen freie Hand auf dem europäischen Festland ließen. Portugal, Spanien, Schweden, Dänemark, die Inseln des Mittelmecrs wurden in willkürlich- abenteuerliche Kriegs - und Eroberungscombinationen hineingczogcn, Abmachungen, die nur zum kleinsten Theil praktische Folgen hatten, aber von der stolzen Ucbcrhebung, der schrankenlosen Willkür und den riesigen Plänen der beiden Autokraten Zcugniß ablegten. In einem Spiel kühnster zügellosester Phantasie wurde hier über die Länder Europa's und selbst über Indien verhandelt, als ob sie eine völlig wehrlose Beute wären. „Niemals", sagt Lansrey, „war die Freiheit Europa's ernstlicher bedroht Weber, Weltgeschichte. XIV. 16