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1H. Die Jahre der Napolconischen Weltherrschaft. 233 Die Russen, unter Bennigsen, Fürst Bagration und General Barclay de Tolly, mochte» etwa 60,000 Mann, die Franzosen, unter Napoleon selbst und den kriegskundigsten Marschällcn, Soult, Murat, Bcssieres, Augereau, Davoust, gegen 80,000 Mann zählen. Auf dem schneebedeckten Schlachtfeld von Eylau wogte die Entscheidung hin und her; furchtbar mörderisch war das Gefecht; das Augereau'sche Corps wurde in einem entsetzlichen Geschütz-, Bajonett- und Cavalleriekampf fast ganz aufgcricbcn, der Marschall selbst verwundet. Schon war auch der Centralpunkt der französischen Aufstellungen, ein Kirch hof, >vo sich Napoleon mit den Garden befand, von den Russen bedroht, und der gewaltige Rciterangriff Murat's vermochte das Centn»» des Feindes nicht völlig zu durchbrechen. Als aber am Mittag des zweiten Kampfmges Davoust auf dem Schlachtfeld eintraf, gericthc» die Russen arg ins Gedränge; furchtbar erschöpft und gelichtet, kamen ihre Reihen immer mehr ins Wanken und Weiche»; schon wurden ganze Abteilungen fluchtähnlich auf der Straße nach Königsberg zurückgetricben. Da griff zum Schluß das kleine preußische Corps unter L'Estocq, das sich unter tapfern Kämpfen mit Ney, namentlich bei Wackern, den Weg zur Verbindung mit den Rassen gebahnt und diesem Mar schall die rechtzeitige Theilnahme an der Schlacht unmöglich gemacht hatte, in dem letzten Akte des Tages noch sehr entscheidend ein. Mit preußischer Hülfe ermannten sich die wankenden russischen Colonncn wieder und gingen noch einmal Mit Erfolg gegen die festen Stellungen Davoust's vor, der nun seinerseits ge worfen und unter schweren Verlusten zurückgetricben wurde. Am Abend erst traf Ney aus dem Schlachtfeld ein, zu spät um auf den Ausgang dieses blutigen Tages noch wesentlichen Einfluß erlangen zu können. Die Nacht machte dem furchtbaren Ringen auf der weiten Schncefläche ein Ende, und eine Erneuerung des Kampfes war bei der Erschöpfung auf beiden Seiten nicht mehr möglich. Eine eigentliche Entscheidung hatte der blutige Tag nicht, und die stolze» Sie gesbulletins Napoleon's fanden wenig Glaube». Die bonapartischc» Schrift steller machen Bernadotte den Vorwurf, durch sei» Ausbleiben verhindert zu haben, daß die Franzosen einen vollständigen Sieg errangen. Die Russen hielten cs freilich für gerathen, ihren Rückzug auf Königsberg sortzusctzcn; allein auch Napoleon wagte keine Verfolgung. Der Krieg erlitt, von kleineren Gefechten abgesehen, eine mehrmonatlichc Unterbrechung, bis die Heere sich erholt, gesammelt und verstärkt hatten. Napoleon selbst sehnte sich fürs Erste nur nach Winterquartieren, und die Soldaten wünschten den Schluß eines Krieges herbei, der nichts als Leiden und Entbehrungen in Aussicht stellte. Der französische Kaiser hätte jetzt gerne einen Separatfrieden mit Preußen ge schlossen und knüpfte mit dem bis nach Memel geflüchteten König Unterhand lungen in einem ganz andern Tone als früher an; aber der bundcstreuc, ehren hafte Monarch wies die Anträge, ihn von seinem Alliirten zu trennen, entschieden zurück.