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111. Die Jahre der Napoleonischeu Weltherrschaft. 225 sich jetzt Stettin zu einem Sammelort zu wählen und sich hinter die Oder zurück- zuziehcn. Es war noch immer eine starke Hecresmacht, die sich jetzt nach der pommcr'schcn Feste in Bewegung setzte, und es fehlte auch noch nicht an einzelnen Zügen glänzender militärischer Bravour. So erwarb sich der Oberst Nork verdienten Ruhm durch die heldcnmnlhige Abwehr, womit er der Division des Herzogs von Weimar in dem Gefecht bei Altenzaun den Elbübergang crmög-2K^->b. lichte; so gab Blücher auf dem ganzen Marsch glänzende Beweise von Umsicht. Besonnenheit und Energie. Allein bei der tiefen Zerrüttung des preußischen Heeres in Haupt und Gliedern konnten einzelne rühmliche Thaten keine Rettung mehr bringen. Selbst der Rückzug nach Stettin konnte, dank den zahlreichen strategischen Fehlern, der Bedächtigkeit und Unschlüssigkeit Hohenlohe's und seines Generalquartiermcifters Oberst von Masscnbach gegenüber dem energischen Vor- wärtsdrängcn der französischen Marschälle nicht mehr bewerkstelligt werden. Immer fester hefteten sich die Corps von Murat und Lannes an die Fersen des zurückzichcndcn Heeres. Ohne Schwertstreich capitulirte Spandau, wurde Berlin 25. O-ib, besetzt. Bei Prenzlan gcricthcn die preußischen und französischen Truppen an- Capnuia.w« einander, und dem Fürsten Hohenlohe schwand aller Muth, mit seinen aus-""" gehungerten, ermatteten und zerrütteten Colonnen dem siegesstchern Gegner zu widerstehen, der ihm vorzuspiegeln wußte, daß das preußische Heer gänzlich um gangen und abgcschnitten sei, und durch Massenbach's verblendete, klcinmüthige Rathschläge unterstützt wurde. So entschloß sich denn Hohenlohe, bedrängt von Murat und Lannes, die schmachvolle Kapitulation von Prcnzlau zu un-28. o-tbr. terzeichncn, wodurch 10,000 Mann in französische Gefangenschaft kamen, die Offiziere gegen das Ehrenwort, bis zur Auswechselung nicht zu dienen, entlassen wurden. Nur einzelne Haufe» schlugen oder schlichen sich nach Stettin durch. Auch Prinz August von Preußen, der sich mit einem braven Grenadierbataillon durchznschlagen versuchte, mußte sich endlich ergeben, als seine Leute keine Pa tronen mehr hatten und bis an den Leib im Morast stecken blieben. Fürst Hohenlohe, in früheren Jahren ein tapferer Kricgsniann, damals aber durch die herben Unglücksschläge Physisch und moralisch gebrochen, an jeder Rettung verzweifelnd, und durch eine Verantwortung, der er sich nicht mehr gewachsen fühlte, verwirrt, war sich der tiefen Demüthigung des TagcS wohl bewußt. Als ihm Murat von seinem alten Kricgsruhm schmeichelhafte Worte sagte, erwiderte der Fürst traurig: „Cr endet mit dem heutigen Tage". „Die Capitulation von Prcnzlau". heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, „war weniger durch den Verlust, den sic dem Vatcrlande unmittelbar zufügte, als durch ihre Folgen unheilbringend. Sic gab das Signal zu allen andern Kapitulationen. Sie pflanzte den Klcinmuth in alle Herzen; sie streute die Vorstellungen von Vcrrath unter das Volk, und verbreitete den jede Thatkraft läh menden Gedanken, daß doch Alles verloren sei. So wie Eine große mannhafte Lhat fortwirkcnd Größeres erzeugt und aus Männern Helden macht, so sind auch mit der Vollbringung einer schwächlichen That deren Folgen nicht abgeschlossen; sie bleibt ver dammt, fortwährend Mattes und Schwaches zu erzeugen; sie wirkt wie ein schleichendes Gift und macht Männer zu Weibern". Weber, Weltgeschichte. XIV. 15