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218 ^ Europa unter Bonapartischem Einfluß. Der Entschluß zum Kruge. bundesstaatliche Ordnung mit einem neuen Reichstag und einheitlichen Organi sationen, namentlich im Militärwescn, darstcllen sollte. Cs war Napoleon mit der Förderung dieses Planes sicherlich nicht Ernst. Kaum war der Rheinbund abgeschlossen, so durchkreuzte die französische Diplomatie auf alle Weise die preußischen Unionsbestrebungen, die ohnedies schon an der eigensüchtigen Politik, an den Sonderinteressen und der Zwietracht der einzelnen Bundesglieder unbe siegbare Hindernisse fanden, eine Doppelzüngigkeit, die Preußen tief verletzen mußte, zumal da man es bei der Bildung des Rheinbundes ohne alle Mitthci- lungen gelassen, das verschwägerte Haus Thurn und Taxis mediatisirt, das ver wandte Haus Oranien um seine nassauischen Besitzungen gebracht hatte. Die Mißstimmung über diese Vorgänge wurde aufs höchste gesteigert, als die sichere Kunde nach Berlin kam, Napoleon habe der englischen Regierung bei der Anknüpfung neuer Friedensverhandlnngcn die Rückgabe Hannovers in Aus sicht gestellt. In den Unterhandlungen, die der französische Machthaber damals in einer selbst bei ihm beispiellos falschen und treulosen Weise mit England und Rußland führte, hielt er, wie wir wissen, dem elfteren Hannover, dem letzteren Preußisch-Polen als lockenden Preis vor, und sprach von einer Entschädigung der neapolitanischen Bourbonen durch die Hansestädte. Die Kunde von diesen Anerbietungen brachte auch die Geduld der preußischen Staatsmänner zu Ende; das bis zum Rande gefüllte Maß der Kränkungen, Drohungen und Gefahren lies jetzt über; den lange und zum höchsten Schaden fcstgchaltencn Gedanken, man könne durch Nachgiebigkeit die Gnade und Huld des großen „Alliirtcn" er werben , ließ man jetzt fahren und entschloß sich, wie in einem plötzlichen Akte s. Aug. Iso«, der Verzweiflung, zum Krieg. Am 9. August wurde die Mobilmachung der preußischen Armee angeordnet. .«ttmmung Aber der prahlerische Jubel, womit man in Militärkrcisen diesem Feldzug Schäden entgegcnging, konnte einsichtige Männer über die Gebrechen des preußischen Hm. Staates und Heeres nicht täuschen. Die strenge Zucht und solide Tüchtigkeit des alten preußischen Reamtenthmns war längst gelockert; der überlieferte Mecha nismus des Staats und der Verwaltung war schlaff geworden; in stumpfer Gleichgültigkeit sah das Volk, außerhalb der prahlenden und erhitzten Berliner Gesellschaft, den Krieg hcrannahcn; die unwürdige Cabinetsregierung eines Haugwitz und Lombard, die auch jetzt noch fortdaucrte und den Einfluß der trefflichen Männer im Ministerium, namentlich Stein's, nicht durchdringcn ließ, schlug auch unter den Patrioten das Vertrauen und die Hoffnungen nieder, die man auf die preußische Waffencrhebung hätte setzen können. Auch die tiefen Schäden, an denen das Heerwesen litt, konnten Tieferblickendcn nicht verborgen bleiben. Das preußische Heer hatte im wesentlichen noch immer das System bewahrt, das Friedrich d. Gr. geschaffen und das für jene Zeit vortreff lich mar, damals aber bereits sich überlebt hatte. In hochmüthigcr Selbstüber hebung blickte das Offiziercorps sowohl ans das Bürgerthmn des eigenen Landes,