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206 .V. Europa unter Bouapartischem Einfluß. Hessen-Philippsthal, die Eroberung des Landes zu hindern; nach dem Siege des Ge nerals Rcynier bei Campotenesc über Damas und nach der vertragsmäßigen Uebcrgabc der von dem Prinzen von Hessen-Philippsthal lange mit Tapferkeit vertheidigtcn Fe stung Gacta an Masscna, war der Widerstand der königlichen Truppen gebrochen. Auch die Lazzaroni und empörten Pöbelschaaren, die nicht gezügelt durch Gesetz und Obrig keit ihren wilden Trieben folgten und abermals das Leben und Eigcuthum der Wohl habenden bedrohten, wurden durch die gemeinsamen Anstrengungen der Franzosen und der städtischen Bürgcrwehrcn nach manchen blutigen Kämpfen unterdrückt, so daß M<u l^-vv. Joseph im Mai von der neapolitanischen Königskronc Besitz nehmen und seinen Einzug in die Hauptstadt vollziehen konnte. Der neue König, von sanfterer Gcmüthsart als der Bruder, suchte durch Milde und gute Einrichtungen das Volk mit seiner Regierung zu versöhnen; aber Napoleon schrieb ihm: „Du wirst Dich niemals durch die öffent liche Meinung halten können; laß die Lazzaroni ohne Erbarmen nicderschießen, nur mit heilsamem Schrecken wirst Du der italienischen Bevölkerung imponiren. Lege eine Contribution von dreißig Millionen aus das Land. Mit Liebkosungen gewinnt man die Völker nicht". Schwert und Richtbeil lichteten die Reihen der Aufständischen. Auch Fra Diavolo, der kühne Bandenführer, der den Rang eines Obersten erhalten hatte, 12. N°v. starb als Gefangener unter den Händen des Henkers. Reue Gesetze, eine neue Berwal- tungsform, Einziehung von Klöstern und viele den Franzosen nachgebildetc Einrich tungen und Steuerreformen traten überall ein, wo Glieder der Bonapartischcn Familie die Herrschaft erlangten. Zn Neapel wurden alle Lehnsrcchte und Fcudallasten, welche die Reformen Tanucci's überdauert hatten, vollends aufgehoben.- Auch PapstPius VII. erntete keinen Dank für die Hingebung die er dem neuen Imperator bei jeder Gelegen heit bewiesen. Als er sich weigerte, die von Napoleon verlangte Ehescheidung seines Bruders Ierome von Elisa Patterson auszusprechen und gestützt auf die Unabhängig keit und Souveränetät des päpstlichen Stuhles weder den englischen Schiffen die See hafen des Kirchenstaats verschließen, noch der Lehnsherrlichkeit über Neapel entsagen wollte, entbrannte ein heftiger Streit. Es war dem französischen Kaiser unerträglich, daß der römische Hof in Verbindung mit dem bourbonischcn König von Sicilien und mit Sardinien stehe, daß cs noch einen englischen Consul in Rom gebe. Alle dem wollte er ein Ende machen. Der Papst sei Souverän von Rom, ließ sich Napoleon vernehmen, aber er selbst sei Kaiser, und dem Papste liege ob mit dem Kaiser in Ucbereinstimmung zu handeln. In Rom müsse dieselbe Politik beobachtet werden, wie in Mailand und Neapel. Sollte aber dennoch der römische Hof in seiner Haltung verharren, dann müsse derselbe seine weltliche Herrschaft überhaupt verlieren. Vorerst begnügte sich Na poleon mit der Besetzung einiger Festungen des Kirchenstaats und mit der Verleihung der zwischen Rom und Neapel streitigen Gebiete von Bencvcnt und Ponte-Corvo an Talleyrand und Bernadotte als Rcichslehcn mit dem Herzogsrang. Aber die nächsten Jahre brachten neue Anlässe zu Streitigkeiten und zu gewaltsamen Eingriffen von Seiten Napoleon's. Der ganze Kirchenstaat erschien dem Kaiser als eine „Difformität". Wurde doch dadurch die Verbindung zwischen Obcritalicn und Neapel unterbrochen. Die Weigerung des Papstes, das Concordat auch über Vmcdig auszudehncn, führte die Einziehung des Gebiets von Ancona. Macerata, Fcrmo, Urbino und die Be schlagnahme der päpstlichen Einkünfte herbei. Aus den zornigen Ausfällen des Im perators an den Bicekönig von Italien über die oppositionelle Haltung des kirchlichen Oberhauptes konnte man vorausschcn, daß bald noch gewaltsamere Maßregeln ergriffen werden würden, daß dem Patrimonium Petri dasselbe Schicksal zugcdacht sei, wie den übrigen Staaten der Halbinsel. Die beiden Gewalten, die das Mittelalter mit ihren Kämpfen erfüllt hatten, sagt Lanfrey, standen sich wiederum Auge in Auge gegenüber;