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198 Europa unter Bonapartischein Einfluß. derS^chiach" »Es stud wenig Schlachten geschlagen worden", urtheilt Hausier, „in denen der Sieg so vollständig war. Aber nicht nur glänzend erschien der Sieg, er war auch verdient. An wenig Stellen war die persönliche Ucbcrlcgenheit des Imperators über das alte legitime Europa so mächtig hervorgctreten als in der Anlage und Leitung der Schlacht am 2. Decembcr. Die Verwirrung im Oberbefehl der Verbündeten, die großen Illusionen, in denen man sich bewegte, die zögernde Haltung Buxhöwden's, das planlose Auseinandcrfallcn der einzelnen Truppenkörper hatten kein anderes Er- gcbniß verdient, auch wenn die russischen Truppen sich zum größten Thcil mit der gewohnten fatalistischen Ausdauer schlugen und die Oesterrcicher es an Tapferkeit nicht fehlen ließen die Schmach von Ulm zu verwischen. Es war ihnen der traurige Triumph geworden, alle Welt zu überzeugen, daß der moskowitische Hochmut!) grobes Unrecht übte, wenn er die früheren Niederlagen der „Feigheit" der Oesterreicher Schuld gab, oder wenn er jetzt wieder den Oesterrcicher Wcyrother für alles Mißlingen verantwort lich machte. Die Zustände im russischen Hauptguarticr, die eitle Selbsttäuschung des Zaren und seiner Günstlinge, die Unfähigkeit einzelner Führer, für die man dann die Minderschuldigen strafte — boten Stoff genug zu einer Parallele mit der österreichi schen Leitung bei Ulm". — In Frankreich war fortan der Name Austerlitz ein Glanz- stcrn erster Größe am Napoleon'schen Ruhmcshimmcl. Das alte Mctzgerthor in Straßburg, durch welches der Kaiser nach dem Rhein ritt, erhielt seitdem dm Namen „Austerlitzthor", ein drohendes Warnungszeichen gegenüber dem deutschen Nachbar lande. Die Vcndomesäule mit dem Standbilde des Kaisers, die im folgenden Jahr aus Antrag der Stadtgemcinde Paris zu Ehren Napoleon's und der großen Armee aufgcrichtet ward, wurde aus Kanonen gegossen, die im österreichisch-russischen Krieg erbeutet worden waren. Am folgenden Tag verlegte Napoleon sein Hauptquartier nach deinselbcn imLag-r. Kannitz'schen Schlosse Austerlitz, wo während des Kainpfes die verbündeten Monarchen geweilt hatten, und von wo aus jetzt ein siegesstolzcs Manifest an die Armee der Schlacht ihren geschichtlichen Namen gab. Sein nächstes Anliegen war nunmehr darauf gerichtet, die Coalition zu trennen und mit jedem der Verbündeten besondere Friedensunterhandlungen einzuleiten. Dieses Vorhaben wurde durch die herrschende Stimmung wesentlich gefördert. Der Ausgang der Schlacht mehrte die Antipathien zwischen Russen und Oesterreichcrn und erzeugte den Wunsch, so schnell wie möglich den Krieg beendigt zu sehen. Schon am nächsten Tage sandte Franz II. den Fürsten Johann von Liechtenstein in das Hauptquartier Napoleon's mit dem Vorschläge einer persönlichen Zusammen kunft. Es war ein denkwürdiger Augenblick, als das Haupt des ältesten und mächtigsten Herrscherhauses in dem Lager des korsischen Emporkömmlings er schien und nach einer zweistündigen Unterredung an einem Wachtfeuer als Gna dengeschenk einen Waffenstillstand empfing, in welchem sich Franz verpflichtete, die Sache Oesterreichs von der Rußlands zu trennen, den Zaren zur Räumung des österreichischen Gebiets zu bewegen und jeden Einmarsch fremder Truppen zu verbieten. Der Habsburger Monarch fügte sich in die Nothwendigkeit, aber er vergaß dem französischen Machthaber niemals diesen Tag der Erniedrigung. „Jetzt seit ich ihn gesehen habe, kann ich ihn gar nicht mehr leiden", soll er bei der Rückkehr zum Fürsten Liechtenstein gesagt haben.