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186 Europa unter Bonapartischem Einfluß. in Baiern, wo bei der Nähe von Oesterreich ein Zusammengehen mit Frankreich schlimme Folgen nach sich ziehen konnte, siegte die Napolconische Staatskunst, für welche der Minister Montgelas thätig war. Man hatte in München und am kurfürstlichen Hofe nicht vergessen, wie begierig Jahre lang in den Thugut'- schen Kreisen nach der Besitzergreifung des Kursürstenthums getrachtet worden. Solche Erfahrungen konnten keine Sympathien, kein Vertrauen für Oesterreich an der Isar erwecken. So schloß denn Baiern bereits am 24. August insgeheim ein Schutz- und Trutzbündniß mit Frankreich, während der Kurfürst Max Joseph den Kaiser Franz in einem Briefe hoch und theuer seiner reichstreuen Gesinnung versicherte. In Stuttgart und Karlsruhe folgte man dem Vorgänge des östlichen Nachbarn. So sicher war Napoleon seines Erfolges, daß er noch " ,^von Boulogne aus an Tallcyrand schrieb: „Kommen die Flotten nicht, so rücke ich mit 200,000 Mann in Deutschland ein und stehe nicht still, bis ich die Thore Wiens berührt, den Oestcrrcichern Venedig sammt den andern italienischen Be sitzungen genommen und die Bourbons aus Neapel verjagt habe. Ich lasse die Oesterreicher und Russen sich nicht vereinigen; ich werde sie schlagen, ehe sie sich verbinden können". Unterdessen verweilte er immer noch in Boulogne, um die Gegner in der Täuschung zu erhalten. Nie führte der Moniteur eine so fried fertige harmlose Sprache; nie flössen die zur Oeffcntlichkeit bestimmten Schrift stücke und Briefschaften so über von Friedensbetheuerungen, von Scheu vor neuen Kricgsleiden, vor neuem Blutvergießen wie in dieser Zeit. rungundP^i Was Napoleon seinem Minister vorausgesagt, sollte sich in Kurzem ver- c>ama,i°n. wirklichen. In den ersten Tagen des September erschien ein österreichisches Ma nifest, worin die Gewaltthätigketten und Uebcrgriffe des französischen Impera tors in Italien und Deutschland seit dem Frieden von Luneville, die Schä digungen und Nachtheile, welche der Kaiserstaat dadurch erlitten, aufgezählt waren, und zugleich rückte ein österreichisches Heer über den Inn in Baiern ein, unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Ferdinand und jenes Feldmarschalls Mack, dessen militärische Mißgeschicke und strategische Unfähigkeit uns aus früheren Blättern zur Genüge bekannt sind. In München hielt man mit der ent scheidenden Antwort, auf welche Seite man treten wolle, so lange zurück, bis alle Anordnungen zur Entfernung des kurfürstlichen Hofes nach Würzburg und zur Vereinigung des bäurischen Heeres mit den Franzosen getroffen waren. Unterdessen breiteten sich die Oesterreichcr über das Land bis zum Lech aus und 2' Kaiser Franz zog in eigener Person als Sieger in München ein. Der Vorwurf des Friedensbruches traf somit die Coalition, und Napoleon benutzte diesen Umstand, um in einer schwungvollen Proclamation den Nationalstolz und das Ehrgefühl der Franzosen anzufeuern, den Senat dienstwillig und opferbereit zu machen. „Ich verlasse meine Hauptstadt", hieß es darin, „um meinen Ver bündeten rasche Hülfe zu bringen und die theuersten Interessen meiner Völker zu verthcidigen. Noch vor wenigen Tagen hoffte ich, der Friede würde nicht gestört