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III. Die Jahre der Napo Ironischen Weltherrschaft. 177 bestimm« Bedingungen geknüpft und so beschränkt war, daß es mehr in der Theorie als in der Wirklichkeit bestand. Der Kaiser und seine Umgebung gefielen sich nun in der Vorstellung, „daß die Bauern der Kcondomäncn nicht Leibeigene seien; weil der Grundherr und der Landesherr hier ein und dieselbe Person war, konnte man ihr Ber- hältniß allenfalls so aufsassen, als wären sie eben Untcrthancn des Kaisers, ungefähr wie die frcigebornen Kleinbürger der Städte, und lebten nicht eigentlich in Hörigkeits-, sondern in bestimmten Standesvcrhältnissen". Von diesen Kronländereien waren aber, wie wir wissen, von den bisherigen Herrschern, insbesondere von Katharina, oft große Stücke mit einer Anzahl von „Seelen" ausgestattet an Günstlinge, Staatsmänner, Feldherren verschenkt worden, die Kranbauern waren somit die Leibeigenen von Privaten geworden und in ein geringeres Recht getreten. Diesem Mißbrauch suchte Alexander zu steuern, indem er ein Gesetz erließ, „daß fortan Krvn-Domüncn in keiner Weise vcr-b'dr- ir>u». äußert, weder verkauft noch verschenkt werden dürften". Diesem Gesetz folgte das Verbot, einzelne Leibeigene in den Zeitungen ohne Land zum Verkauf auszubictcn, und im nächsten Jahr eine auf die Vorschläge der Provinziallandtagc Esthlands und Livlands erlassene Verfügung, welche die Zinsen und Frohndicnste der Bauern in den Ostsecpro- vinzen auf ein gesetzliches Maß und die Strafgewalt der Grundherren auf ziemlich enge Grenzen beschränkte. In diesen Landschaften durften somit Leibeigene nicht anders als durch Verkauf des Ritterguts oder des Dorfes aus einer Botmäßigkeit in die andere übergehen, lind auch im Innern des Reiches wurden Versuche gemacht, das Loos der Leibeigenen auf den Adclsgütcrn zu erleichtern oder wenigstens Mißbräuche abzustellcn. Doch entsprach der Vorschlag des Grafen Sergey Rumänzow, daß man den adeligen Gutsbesitzern durch ein Gesetz die Besugniß crtheile, nicht nur einzelnen Leibeigenen oder einzelnen Familien, sondern auch ganzen Dorfschaften die Freiheit zu gewähren unter der Bedingung, daß sie dem bisherigen Erbhcrrn die zu ihrem Lebensunterhalt nothwcndigen Aeckcr und Wiesen abkaustcn, in seiner Ausführung nicht von ferne den hohen Erwartungen, welche Alexander davon hegte: die adeligen Herren zeigten wenig Neigung, auf solche Auseinandersetzungen mit ihren Bauern sich cinzulasscn, und wer wollte ihnen denn wehren, den Preis der Bodcnstächc so hoch zu stellen, daß der Bauer ihn nicht zu erschwingen vermochte oder die Person des Leibeigenen zugleich mit bezahlt ward? Dagegen wurde einem alten Mißbrauch, der bei den Aushebungen für die Armee oder für die Colonisation Sibiriens sich eingcschlichcn hatte, wirksam gesteuert. So wohlwollend die Neuerungen des Kaisers für die Gesamintheil der^usssch- Nation sein mochten, bei den Altrussen, sowohl in der Geistlichkeit als im Adel, erregten sic Widerspruch und Unzufriedenheit. Sic schienen der Ausfluß der liberalen philosophische» Ideen des westlichen Europa zu sei», die der Kaiser durch seine Erziehung in sich eingcsvge», die aber den Altgläubigen, Priestern wie Laie» ein Gräuel waren. Alexander verschmähte das scheinheilige Andachts spiel, durch das sich seine „weise" Großmutter, die Freundin Voltaires und Didcrot's, die Gunst der Geistlichkeit und des orthodoxen Volkes zu erhalten gewußt; seine Religion gab sich nicht kund in dem Niedcrwcrscn vor den russi schen Heiligenbildern, sondern suchte Befriedigung in den Grundsätzen der Hu manität, der Moral, später in einer christliche» Mystik, die de», Popenthum fremd und unverständlich war. Nicht minder verstimmt und unzufrieden war die altrussische Adelspartei, die noch immer wie zur Zeit Katharinas ihren Hauprsitz in Moskau hatte. Diese altgcsinnten Herren, unter denen Graf Weber, Weltgeschichte. XIV. 12