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II. Das Consulat. 157 In dem badischen Städtchen Ettenheim weilte der Herzog von Enghien, der ritterliche Enkel des Prinzen von Conde. Eine romantische Neigung zu der G»>L^m°rd schönen Fürstin Charlotte von Rohan und die Liebe zur Jagd fesselten ihn an den » Enghien. Aufenthaltsort am Saume der Schwarzwaldberge. Er hatte in den Conde'schcn Emigrantentruppen gefachten, bezog von England eine Jahresrente und war be reit, auch in dem wiederausgebrochenen Kriege sein Schwert in ehrlichem Kampfe für die Sache seines Hauses zu ziehen. Aber dem von London aus geplanten Complotte war er ganz fremd geblieben. Dennoch wurde dem Ersten Consul vorgestellt, Enghien sei die Seele aller royalistischen Verschwörungen, man habe ihn wiederholt verkleidet in Straßburg gesehen, Dumouriez sei bei ihm aus- und eingegangen, in Mchee's Briefwechsel mit den englischen Gesandten und Agenten in Deutschland sei sein Name genannt worden. Napoleon, der aus Furcht vor der geheimen Macht der Legitimität fortwährend mit Unruhe und Besorgniß auf die cniigrirte Königsfamilie blickte, der es dem in Warschau weilenden Haupte der Familie, Ludwig XVIII., nicht verzieh, daß er sich weigerte, gegen eine jähr liche Leibrente von zwei Millionen seinen Ansprüchen zu entsagen und die dar über gewechselten Briefe veröffentlicht hatte, beschloß die allgemeine Entrüstung über das frevelhafte Complot zu benutzen, um gegen die Bourbonen einen per sönlichen Streich zu führen und ihnen für alle Zeiten die conspiratorischen Ge lüste auszutreiben. Aus der gerichtlichen Untersuchung gegen Cadoudal und seine Complicen war deutlich hervorgcgangen, daß ein „französischer Prinz" an die Spitze der Verschwörung treten sollte; ohne sich viel darum zu kümmern, welcher Bourbon darunter gemeint sei, beschloß Napoleon dasjenige Glied der Familie zu ergreifen und seiner Rache zu opfern, das er am leichtesten zu erreichen vermochte. Daß dabei deutsche Neutralität, deutsche Nationalehre, wie das Völ kerrecht verletzt werden mußte, schlug er nicht hoch an. „Ich bin nicht gesonnen, meine Mörder zu schonen", sagte er in erregtem Zornesausspruch zu Tallcyrand und Cambaceres, als ihm durch den Polizeiminister Savary und andere servile Ohrenbläser die Vcrdachtsgründe mitgetheilt wurden, und sandte sofort zwei Militürbevollmüchtigte nach Straßburg und Offenburg, um die Verhaftung der „geheimnißvollen Persönlichkeit" in Ettenheim zu bewerkstelligen. Um sich allen Bitten und Vorstellungen zu entziehen, begab er sich auf acht Tage nach Mal-12. Mir, maison. Auf eine besorgliche Acußerung des zweiten Consuls Cambaceres erwi- derte er: „Sie sind mit dem Blute der Bourbonen sehr geizig geworden". Die ganze That trug den Charakter einer persönlichen Rache, jener korsischen Ven detta, die einen Feind verfolgt in seinen Kindern, in seiner Familie, selbst in seiner entfernten Verwandtschaft. Am 15. März umstellte um Mitternacht ein französischer Oberst mit einer Abtheilung Dragoner das Haus in Ettenheim, führte den Prinzen mit acht Begleitern, Emigranten und Geistlichen, in die Citadellc von Straßburg und von da in größter Eile nach Paris, wo er in dem festen Schloß von Vincenncs in Sicherheit gebracht ward. Savary und Real,