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II. Das Consulat. 153 Verdienste und den langen Umgang mit Bonaparte, erlaubten sic sich größere Freiheiten als mit der Stellung zu einem monarchischen Selbstherrscher vereinbar schien. Fontanes nannte den Ersten Consul den Mann, „vor dem das Weltall schweigt": das war die Sprache, die dem maßlosen Ehrgeiz und Stolz Napoleon's wohlgcfiel. Aus der gleichen Ursache erfolgte auch die Verbannung der Frau von Stael, deren Salon der Versammlungsort der Opposition war, aus Paris. Und wenn man erwägt, wie viel Bonaparte in den drei ersten Jahren seiner Herrschaft unternahm und ausführtc, wie er gestützt auf ein Volk von Soldaten, "»'m. das dem Feldherrn von so unvergleichlicher militärischer Begabung mit Begeiste rung anhing und dem er die Ficbcrgluth einzuhauchcn verstand, die ihn selbst verzehrte, wie er getragen von der Anziehungskraft, welche noch immer die Prin zipien der französischen Revolution auf die Völker ausübten, das europäische Festland in neue Formen goß und Frankreich in noch viel umfassenderer Weise als unter Ludwig XIV. zum Heerd und Mittelpunkt des politischen Lebens machte: so war der Ausdruck, daß das Weltall vor ihm schweige, mehr als eine rhetorische Phrase, Alles blickte mit staunender Bewunderung auf eine» Mann von so schöpferischer Thatkraft, dessen Geist Alles umspanntc, dessen Scharfblick in die innersten Verhältnisse des Staaten- und Völkcrlebens eindrang, der einen Thütigkeitstrieb und eine Arbeitskraft entfaltete, die keine Ruhe und Rast kannic, dem Vergnügungen und Zerstreuungen unbekannte Dinge waren. Die Welt gewöhnte sich, an den gewaltigen Genius, in dem sich die ganze revolutionäre Kraft concentrirt zu haben schien, einen andern Maßstab des Urthcils anzulcgcn als an andere Menschenkinder, und er selbst wurde durch seine eigenen Erfolge und die Bewunderung, die ihm von allen Seiten gezollt ward, zu einer Höhe des Selbstbewußtscins und der Selbsterhebung emporgetragen, daß ihm nichls als unmöglich vorkani, daß er das Maß der Selbstbeherrschung und die höhere Harmonie der Seele verlor und Alles nach seinem eigenen Willen gestalten zu können glaubte, daß ihm jeder Widerspruch, jede selbständige Haltung Anderer unerträglich war. Napoleon war eine autokratischc Hcrrschcrnatur, vor der sich jeder beugen mußte, und die »m so sicherer ihren Zweck erreichte, als ihr Gaben von überwältigender Wirksamkeit zu Gebote standen und eine Kcnntniß und Bc- urtheilung der Menschen, wie sic kaum ein anderer Sterblicher auf der Höhe des Lebens in solchem Grade besessen. Er wußte zu drohen und zu schrecken, er wußte durch die meistens berechnete Kundgebung von Affekten schwärmerische Sympathien der Hingabe zu wecken, er wußte durch den Zauber der Anmuth, der Vertraulichkeit zu fesseln und zu bestricken. Selbst das Fremdartige in seiner Erscheinung, der italienische Typus seines äußeren und inneren Wesens, der keinen Zug des alte» französischen Nationalcharakters an sich hatte, trug bei, ihm die Welt zu Füßen zu legen, die Phantasie des Volkes zu reizen. Bei aller wirklichen Größe und genialen Begabung verschmähte er auch nicht die Künste des Theatralischen, die Reizmittel des Ungewöhnlichen und Ausfallenden. Cr