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132 Europa unter Bonapartischeni Einfluß. ermordet wurden, ließ Toussaint diesen Beamten kriegsrechtlich erschießen. Der Versuch Rigaud's, an der Spitze der Mulatten die Herrschaft der Schwarzen zu stürzen, wurde energisch niedergeschlagen. Toussaint L'Ouvcrture wollte auf der westindischen Insel dieselbe Rolle spielen, wie Bonaparte in Europa: der Con- sularrepublik sollte eine Negerrepublik selbständig zur Seite stehen, San Domingo als Bundesstaat, aber frei von jeder Oberherrlichkeit mit Frankreich Hand in Hand gehen. Eine solche Stellung war aber nicht nach dem Sinne Napoleon's; er wollte keinen schwarzen Rivalen aufkommen lassen. Als ihm das Organisa tionsstatut für Domingo zur Einsicht und Bestätigung vorgelegt ward, rief er aus: „Das ist ein rebellischer Sclave, der gezüchtigt werden muß". Zuerst ver suchte Bonaparte mit diplomatischer Klugheit den Negerhäuptling zur Unterwer fung zu bringen. Die Antwort, welche er auf das Organisationsstatut ertheilte, floß über von schmeichelhafter Anerkennung der Verdienste L'Ouverture's. „Durch Ihre Talente wie durch die Macht der Ereignisse zum Oberbefehl berufen, haben Sie dem Bürgerkrieg ein Ende gemacht, der Verfolgungssucht einiger Blutgie rigen Zaum und Zügel angelegt, die Religion und die Gottheit, von der Alles ausströmt, wieder zu Ehren gebracht". Toussaint werde nicht zögern, hieß es im Verlauf des Schreibens, in einem Augenblick, da sich die Verhältnisse Frankreichs so glücklich gestaltet haben, die Oberherrschaft einer Nation anzucrkcnnen. die ihn um seiner Dienste und seiner trefflichen Eigenschaften willen zu ihren ruhm- würdigsten Bürgern gezählt. Dieses Sendschreiben überbrachte General Leclerc. Napoleon's Schwager, an der Spitze eines Heeres von 25,000 Mann. Er sollte das Regiment auf der Insel in die Hand nehmen und Toussaint L'Ouver- ture mit einem Ehrentitel abfinden, sei es in der Colonie selbst, sei cs als Divi sionsgeneral in Frankreich. Aber „der Erste der Schwarzen" stellte sich dem „Ersten der Weißen" ebenbürtig gegenüber. Er weigerte sich, den neuen Befehls- Mär, i8vr. Haber anzuerkennen und traf in Verbindung mit den Anführern Christoph und Dessalmes Vorbereitungen zum bewaffneten Widerstand. Die Behauptung, die französische Regierung habe die Absicht, das Gesetz über die Befreiung der Neger rückgängig zu machen und die Sclaverei wieder cinzuführen. trieb die Farbigen unter die Waffen, eine Behauptung, die dadurch an Wahrscheinlichkeit gewann, daß für Guadeloupe und die übrigen französischen Colonien eine solche Maßregel wirk lich beschlossen war und zur Anwendung kam. Es hieß. Leclerc habe den Auftrag, die Insel durch Gewalt und Schrecken zu unterwerfen, die Hauptanführer nach Europa zu schaffen und sein Pacificationswerk mit der Herstellung der Sclaverei zu krönen. So begann denn ein neuer Jnsurrcctionskrieg. Toussaint L'Ouvcrture leistete mit seinen Negerregimentern tapfere Gegenwehr; aber der Kriegskunst der französischen Veteranen vermochte» die Farbigen nicht lange zu widerstehen. Nach dem sich die Generale Christoph und Dessalines vertragswcise ergeben, knüpfte auch Toussaint Unterhandlungen an. Leclerc brachte den „Ersten der Schwarzen" durch List und Verrath in seine Gewalt und ließ ihn mit seiner Familie nach