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II. Das Consulat. 123 als Bejahende rechnete, stieß doch auf großen Widerstand, sowohl bei den Urkantonen, welche ihre alte demokratische Autonomie wiederhergcstellt wissen wollten, als bei dem ehemaligen Geschlechterpatriziat in Bern, welches den Verlust seiner Prinzipatrechte nicht verschmerzen konnte. Wiederum traten die » Männer des Einheitsstaates und die Föderalisten bewaffnet einander entgegen. Die Abberufung der französischen Besatzungstruppen durch Bonaparte steigerte die Parteiwuth zum Bürgerkrieg. Aloys Reding, der erste Landammann von Helvetien, ei» ritterlicher Mann von patriotischer Gesinnung, aber in veralteten Anschauungen befangen, wurde auf die Festung Aarburg gebracht. Da legte Bonaparte seinen Machtspruch ein. Er entbot eine „helvetische Lonsulta" nach D«dr. isor. Paris, welche unter seinen Augen und nach seinen Vorschlägen, die er selbst den Vertretern der Kantone in feierlicher Sitzung mit freundlicher und wohlwollender Rede empfahl, die „Mediationsverfassung" ausarbeitete, welche denn auch angesichts einer zum Einrückcn bereit stehenden französischen Armee ohne Wider stand zur Einführung gebracht ward. Preußen und Oesterreich, „in Regens-Au burg damit beschäftigt, einander die Fetzen deutscher Erde streitig zu machen, die Bonaparte ihrer Habgier gönnte", erhoben keine Einsprache; und auch Kaiser Alexander, „dem cs schmeichelte sich in Gemeinschaft mit einem Helden zum Schiedsrichter Europa's berufen zu sehen", gebot seinem Gesandten zu schweigen. Diese Vermittlungsakte, eines der wohlthütigsten politischen Werke Napolcon's, gab den neunzehn Kantonen der Schweiz ihre alte Selbständigkeit für alle inneren Anliegen zurück, und trug zugleich durch Aufrichtung einer abwechseln den Tagsatzung und eines Landammanns oder Präsidenten aus dem jedesma ligen Vorort dem Einheitsgedanken Rechnung. Indem die Mcdiationsakte die Kantone herstellte, schlang sie zugleich um die Eidgenossenschaft einen bundes staatlichen Verband, der zwischen Einheit und Besonderheit eine verständige Mitte hielt. Dabei verblieben dem Föderativstaat alle freiheitlichen Errungen schaften und Rechte, welche die Revolution der Menschheit erworben hatte. Der Erste Consul, der in dem Alpenlande gleichsam „ die Rolle der Vorsehung" spielte, sah mit großer Befriedigung auf seine Schöpfung. Er erhob den Bürger Louis d'Affry, der früher in französischen Diensten gestanden, zum Präsidenten oder Landammaun, stellte die helvetische Republik unter den Schutz Frankreichs r,. mit der Bedingung, daß die Regierung eine Armee von 16,000 Mann zu französischem Kriegsdienst und Sold bereit hielt, und legte sich selbst den Titel , eines Mediators und Protectors der Schweiz bei. Der Kanton Ober- und Nie derwallis , den Napoleon als Durchgangsweg nach Oberitalien vermittelst der neuen Alpenstraße über den Simplon nicht entbehren wollte, wurde von der hel vetischen Republik abgetrennt und als selbständiger französischer Clientelstaat der Bouapartischen Herrschaft unterstellt, bis Zeit und Umstände die völlige Ver einigung mit Frankreich brachten.