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116 Europa unter Bouapartischein Einfluß. Niemand fühlte sich sicher; Personen von Rang und Ansehen, die am Hof, in Staatsämtern, bei der Armee in den hervorragendsten Lebensstellungen sich be wegten, mußten fortwährend gewärtig sein, das Opfer des Argwohns, der Ver leumdung, der Jntriguen und Kabalen zu werden. In dem Irrsinn und wirren Kopfe des Zaren herrschte keine Methode, sondern nur Laune und Leidenschaft. und"N Aus diesem unerträglichen Zustande schien es nur einen Ausweg zu geben: Haupt», xjyx Palastrevolution, ein Gewaltakt im Innern des Schlaffes von den Ver trauten des Hofes unternommen und vollzogen, eine Umwälzung, wie sie die Geschichte des byzantinische» Reichs und des Orients so häufig aufzuwcisen hat und die auch in Petersburg bereits bei Peter III. in Scene gesetzt worden war. Zu dem Behuf wurde eine Verschwörung von langer Hand vorbereitet, deren Fäden bis in die Umgebung des Kaisers liefen. Die Seele des Unternehmens war Graf Nikita Pani», der durch seine Beziehungen zum Hof und zur Kaiscr- familie die Vorbereitungen des Complots am sichersten ins Werk setzen konnte; Hand in Hand mit ihm ging Graf Pahlen, Polizeiminister und Gouverneur von Petersburg, arnter dessen Mithülfe die Anstalten zur Ausführung getroffen werden konnten; die Hauplwerkzeuge waren hochgestellte Männer am Hof und in der Armee, wie Platon Subow, der letzte Günstling Katharina's und seine Brüder, die unter Vermittelung des einflußreichen Kutaissow und einer französi schen Dame aus der Verbannung zurückkehren durften, wie der General Ben nigsen, ein Hannoveraner von Geburt, seit dreißig Jahren in russischen Militär diensten und von Katharina II. reich beschenkt mit confiscirten Gütern polnischer Edclleute in Litthauen, wie Fürst Jaschwil, Gardelieutenant Bibikow und meh rere Offiziere. Als die Vorbereitungen getroffen waren, suchte man sich der Kaiserin Maria Feodorowna und des Großfürsten Alexander zu versichern. Wir wissen, wie lieblos in der letzten Zeit Paul seine Gemahlin behandelte, nament lich seitdem die zur Fürstin Gagarin erhobene Lapuchin seiner Licbeswerbung nachgegeben; und auch Alexander und sein Bruder Constantin, durch Katharina von Jugend auf vom Elteruhause fern gehalten, waren nicht durch Bande gegen seitiger Liebe an den Vater gebunden. Dazu kam noch die Befürchtung, der Kaiser möchte im Widerspruch zu seinem eigenen Gesetz über die Thronfolge, den jungen Prinzen Eugen von Würtembcrg, einen Neffen der Zarin Maria, dem er mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit zugethan war und den er in auffallender Weise bevorzugte, zu seinem Nachfolger auf dem Thron ernennen. Selbst in den höchsten Kreisen wagte man Winke und Andeutungen über die Nothwendigkeit eines Regierungswechsels zu geben. Das Wohl und die Ehre des Staats und der Nation verlange dringend, daß das Scepter in andere Hände gelegt werde. Dem jungen Großfürsten Alexander, dessen weiches Gemüth vor dem Gedanken einer Frevelthat zurückbebte, stellte Panin den Zweck der Verschwörung in dem mildesten Lichte dar: es handle sich nur darum, den Kaiser zu bestimmen, daß er von der Regierung zurücktrete oder den erstgeborncn Sohn zum Mitregcnten