Volltext Seite (XML)
II. Das Eonsulat. 109 Zwietracht und Eifersucht zwischen den Offizieren und Soldaten der italienischen und der rheinischen Armee, die nicht mehr durch das überwiegende Ansehen Bo- napartc's niedergehalten wurde. Und Niemand war weniger gewillt und geeignet die niedergeschlagenen Gemüther aufzurichten, neuen Lcbcnsmuth, neue Kampflust zu erwecken als der Obergeneral Kleber. Wir wissen, daß der tapfere Feldherr, der sich aus Verstimmung über das Direktorium wie aus einer Vorliebe für das Romantische und Außergewöhnliche dem ägyptischen Auge angeschlossen, stets wenig Sympathie und Zuneigung für Napoleon Bonaparte gezeigt, so sehr er auch dessen militärisches Genie anerkannte. Diese erbitterte und unzufriedene Stimmung vermochten weder die Beweise von Vertrauen und Großmuth, die ihm Napoleon durch die Uebertragung des Hccrbefehls und durch andere Kund gebungen entgegenbrachte, zu besänftigen, noch sein eigenes Wohlgefallen an der hohen militärischen Würde, die ihm zu Thcil geworden und die ihn in die Lage setzte, den glänzenden arabischen Herrscherpalast in Kairo zu beziehen, sich mit Pracht und Herrlichkeit zu umgeben. In dieser verdüsterten und verbissenen A Stimmung richtete er in Verbindung mit dem Finauzverwalter Poussiclguc einen Bericht an die Directorialrcgierung, worin er sich bitter über Napoleon's Abzug beschwerte und die Zustände des französischen Heeres in den dunkelsten Farben darstellte. Die Zahl der waffenfähigen Streiter sei auf 15,000 hcrabgesunke», die ohne Sold, ohne hinreichenden Kriegsbedarf, mangelhaft gekleidet und ge nährt dem dreifachen Feinde, Engländern, Türken und Mameluken keinen erfolgreichen Widerstand zu leisten vermöchten. Man möge ihn bevollmächtigen mit dem Befehlshaber von Syrien und dem englischen Flottenführer Siduey Smith Vertrüge über die Räumung des Nillandes abzuschlicßen, wenn anders die französische Armee dem Vaterlande erhalten werden sollte. Diese Berichte wurden in doppelter Ausfertigung abgesendet. Allein das eine Paket fiel den Engländern in die Hände, das andere traf erst nach dem 18. Brumaire in Paris ein und wurde dem Ersten Consul übergeben. In London, wo man den übertriebenen Schilderungen von der Nothlagc vollen Glauben beimaß, hoffte man in Kurzem das französische Heer in Kriegsgefan genschaft führen zu können, man suchte durch verdoppelte Wachsamkeit jede Zu fuhr und Verstärkung zur See abzuhalten, die Pforte zu neuen kriegerischen Anstrengungen zu ermuthigen und sie bei ihren Angriffen auf die französische Colonic in Aegypten mit Nachdruck zu unterstützen. Auf englischen Schiffen und Booten segelten 8000 Janitscharcn auf Damiettc los, wurden aber bei der Aus schiffung von der französischen Besatzungsmannschaft unter General Verdier so nachdrücklich empfangen, daß sie mit einem Verluste von 3000 Mann wieder,, N°°. i?«. das hohe Meer zu gewinnen suchten. Kleber, dessen ganzes Trachten auf den Abzug nach Frankreich gerichtet war. glaubte nun. daß unter dein Eindruck der mißlungenen Expedition der türkische Wesir, der in dem syrischen Gaza sein Hauptquartier hatte, und sein englischer Bundesgenosse zu einem Vertrag sich