88- V. Europa unter Bonapartischcm Einfluß. Groll des Ersten Consuls gegen das einzige Organ der öffentlichen Meinung zu bannen. Tribunat und gesetzgebender Körper waren .in seinen Augen stets „ein lästiges Beiwerk, ein widerwilligcs Zugeständnih an die Ideen der Revolution". Mit desto größerem Interesse betrieb Napoleon die Einrichtung solcher Institu tionen, welche von der Staatsregierung ihre Impulse empfingen und sich inner halb der von ihr vorgezeichneten Sphäre bewegten. Zu dem Zweck führte er aus Grund der von der Nationalversammlung geschaffenen Territorialeintheilung ein Centralisationssystem der inneren Verwaltung ein, das an geschlossener Gliederung und strammer Geschäftsführung den von Richelieu und Ludwig XIV. begründeten monarchischen Absolutismus überholte. In der republikanischen Zeit war die Autorität der amtlichen Behörden durch die revolutionäre Anarchie und die demokratische Wahlfreiheit geschwächt, zerbröckelt und gebrochen worden. Eine solche Zuchtlosigkeit und Zerfahrenheit widerstrebte dem autokratischen Geiste Bonaparte's, der in der strammen Disciplin, in dem geregelten Jneinandergreifen aller gouvernementalen, polizeilichen und militärischen Gewalten den Nerv eines starken geordneten Regiments erblickte. Er benutzte daher die territoriale Land- einthcilung in Departements, Arrondissements, Cantone und Gemeinden, die erst jetzt ihre genaue Begrenzung und Vollendung erhielt, um das ganze Reich mit einem hierarchischen Bcamtcunctz zu umspannen, dessen Spitzen, die Prä- fecten, Unterprüfccten, Maires, von der Regierung ernannt, niit Hülfe von Präfectur- und Municipalräthcn alle Verwaltungsangelegenheiten nach einem bestimmten einheitlichen System leiteten und in vorschriftsmäßigem Gang hielten; ein Räderwerk, „wo Ein Tritt tausend Fäden regt". Wie einst die aristokratisch- hierarchische Anarchie des Feudalstaats durch die königlichen Intendanturen zu einem einheitlichen Staatsorganisnius in der Hand des Herrschers zusammen gefaßt worden, so wurde jetzt die republikanische Zerfahrenheit und Zersplitterung durch das strenggegliedertc Präfectursystem, die hierarchische Kette der Verwal- tungsccntralisation wcggestoßen. Die Präfectcn waren „Diktatoren aus kleinem Fuße". Sie waren durch die gewählten Versammlungen, die ihnen zur Seite standen, so wenig gebunden, wie die Consularregierung durch den gesetzgebenden Körper. Die den Notabilitätslisten entnommenen Mitglieder mit nur berathen- der Stimme sollten die bureaukratische Allgewalt mit einem Schein von Volks repräsentation und Selbstverwaltung verdecken und die Ration durch eine we senlose Form täuschen. Der ganze Verwaltungsorganismus der Maires und Municipalitäteu, der Unterpräfectcn und Präsecten mit ihren Beirüthcn, jene kunstvolle administrative Stufenleiter, war „eine Art von Hierarchie übereinander gestellter Diktaturen, die endlich in einer einzigen, der des Ersten Consuls gipfel ten". Und diese geheiumißvolle Macht der Centralisation beschränkte sich nicht auf die Verwaltung, sie erstreckte sich sogar auf das Gerichtswesen. Die Consti tuante hatte das Rechtsleben „auf den Sand der Volkswahl" gegründet und in der Unabhängigkeit des Richterstandes die wichtigste Garantie einer unparteiischen