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II. Das Consulat. 87 Napoleon dem Staatsrathe zu, dessen Sitzungen er selbst öfters anwohnte und dessen Mitgliedern er sein besonderes Vertrauen und seine Gunst schenkte. Das französische Gesetzbuch (Code Napoleon), bei dessen Abfassung der zweite Konsul Cambaceres. sowie Merlin, Lebrun. Tronchet, Rüderer u. A. thätig waren, ist ein durchschlagender Beweis von den Einsichten des Staatsraths. Thcils dem römischen Rechte, theils dem Gewohnheitsrechte, thcils den Erlassen und Verfügungen der vorausgcgangenen gesetzgebenden Versammlungen entstammt und durch die Eodificationsarbciten der Commission in klaren einfachen logischen Zusammenhang und übersichtliche Ordnung gebracht, war das Sammelwerk der bürgerlichen Gesetze eine nationale Wohlthat. Der Erste Consul nahm an den Berathungen den regsten Anthcil, und nicht selten gaben seine Reden. Aussprüche und Einwendungen, die von wunderbarer Schärfe des Verstandes und Urtheils zeugten, bei der Entscheidung den Ausschlag. Je mehr der Erste Consul bestrebt war. die geistigen Capacitäten. die sich^E"^. fügsam und dienstwillig zeigten, zur Thcilnahme an den öffentlichen Dingen heranzuziehen, um so eifersüchtiger bewies er sich gegen jede Opposition. Nicht'""^«». nur, daß er alles agitatorische Treiben, mochte es von den Agenten der Bour bonen und der Emigranten oder von den Ueberresten der Jacobiner und Terro risten ausgehen, mit unerbittlicher Strenge und Rachsucht verfolgte; selbst in den Organen der Verfassung und des nationalen Willens war ihm jeder Wider spruch unerträglich: die Presse wurde beschränkt und sorgfältig überwacht, und wie gemäßigt und anständig immer die Opposition und die polemisch-kritische Debatte in dem Tribunale, der einzigen Zufluchtstätte der freien Rede, sich kundgcben mochte. Napoleon betrachtete diese Anstalt stets mit Mißtrauen und Abneigung. Er sah in dem Palais-Royal, wo die Tribunen ihre Sitzungen hielten, immer noch den Heerd der revolutionären Agitation, wie zur Zeit des Volksredncrs Camille Desmoulins. obwohl der Palast bereits wieder wie unter Orleans-Egalite „ein Schlupfwinkel des Hazardspiels und der Prostitution" ge worden war. Als Benjamin Constant de Rebecqui, Abkömmling einer nach der Schweiz ausgewanderten Hugenottenfamilie, in Lausanne geboren, in Deutsch land gebildet, ein geistreicher talentvoller Schriftsteller und Redner von liberaler Gesinnung, dem Tribunat noch einen Schimmer von Freiheit und Volksrechten retten wollte, als er die jener Körperschaft verfassungsmäßig zustehende Befugniß. persönliche Bittschriften von Gemeinden und Einzelnen in Empfang zu nehmen, zu einer Art Initiative zu verwandeln, zu einen, Mittel der Ausgleichung zwischen Re gierung und Volk zu erheben suchte, wurde er und mit ihm seine Gönnerin Frau vonStael von der Ungnade Napoleon's betroffen. Aus Furcht ein ähnliches Schick sal zu erfahren, wurden die Volksvertreter immer schüchterner und vorsichtiger, sie wetteiferten förmlich in Servilität. Nach dem Geständniß des Präsidenten sollte ihre Aufgabe sein: „die Wohlthaten der Regierung aufzusnchen und deren Verdienste bekannt zu machen". Aber nichts vermochte das Vorurtheil und den