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II. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Ja hrhundert. 1003 alten Kirchengesangs, in dem wahrhaft frommen Gemüthc eines milden beschau lichen Mannes entsprungen, der von den großen moralischen Verwüstungen der Revolution erschüttert war und den man durch einen französischen Prediger in einer plötzlichen Erregung dem Skepticismus entrissen und der Kirche wieder zu geführt sagte". In seinen Tragödie» („der Graf von Carmagnola" und „Adclchi)" entzückt er durch die klassische Würde und durch die Wahrheit des Ge fühls, sowie durch den lyrischen Schwung des von ihm mit Glück wieder eingc- führten Chors, und verweist darin trostreich das Elend auf Duldung und Hoff nung, „da das Glück mit dem Unterdrücker so wenig einen ewigen Bund schließt, wie mit dem Unterdrückten". Seine Trauerode auf Napoleon's Tod („der fünfte Mai") fand so ungethcilte Anerkennung, daß selbst Goethe sie ins Deutsche übersetzte. Aber am bekanntesten und verbreitetsten ist sein der historischen Ro mandichtung Walter Scott's Hochgebildeter Roman „die Verlobten" (i promessi sxosi), eine lebendige, wenn gleich etwas breite und gelehrte Schilderung der kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Zustände des ober» Italiens unter der spanischen Herrschaft, im Geiste der Ergebung gegen alle Selbstrache in Leid und Anfechtung, eine Mahnung zu christlicher Duldung und Resignation. „Alle Klassen der Gesellschaft, vom einfachen Landmann an bis zum Capitan generale Seiner allcrchristlichstcn Majestät, ziehen in wunderbarer Lebcnsfrischc vor dem Leser vorüber. Das ganze italienische Volksleben, bald in hundert einzelnen lebenswahren, originellen Figuren, bald in den bunt und wild bewegten Volks- masscn, so namentlich in den furchtbaren Pcstscencn, ist mit einer Beweglichkeit geschildert, die ans Wunderbare gränzt". Von einer der letztgenannten Semen, der Episode von der Mutter mit dem Kinde, rühmte Goethe: sie allein würde genügen den Namen Manzoni unsterblich zu machen. Mit vollem Rechte läßt sich daher der Ausspruch thun: daß dieser Mcisterroman Manzoni's nationalste Dichtcrthat war. Errief eine Fluth von Nachahmungen hervor, so daß der historische Roman in der neuesten Literatur Italiens die erste Stelle cinnimmt. Rosini's „Nonne von Monza" kann als eine Fortsetzung der „Verlobten" ange sehen werden. Wie Foscolo suchte auch Manzoni „den kalten rednerische» Prunk abzustreifen und der Dichtung die unmittelbare Wahrheit und Einfalt der Natur wicderzugeben". Den Romantikern erschien der Roman als ein vorzügliches Mittel, ihren Landsleuten die eigene Geschichte, die Fehler und Jrrthümcr, die Thatcn und Zustände ihrer Vorfahren darzustellc», den Patriotismus und Nationalsinn zu wecken, das Volk von der literarischen Ucppigkcit und Verweich lichung der voransgcgangcncn Periode an ernstere historische Studien zu gewöh nen. Diese Zwecke verfolgte schon Karl Varcsc von Genua, der Verfasser einer Reihe historischer Romane nach dem Vorbildc Walter Scott's. Durch Manzoni wurde der Roman zur Licblingsgattung der italienischen Literatur erhoben. Sein Schwiegersohn Azcglio, die Schriftsteller Rosmini, Cantu, Grösst folgten seinen Spuren. Auch Gucrazzi von Livorno nahm in seinen Romanen „Belagerung