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84 Europa unter Bonapartischem Einfluß. der Volkssouveränetät in ähnlicher Weise gefallen, wie die römischen Impera toren sich zu Volkstribunen wählen ließen. So blieb denn das Wahl- und Ab- ftimmllngssystem mittelst der dreifachen Notabilitätslisten so wie die Zerstücke lung der gesetzgebenden Gewalt bestehen, nur mit der einzigen Abänderung, daß die Bevorzugung, welche Sieyes den Urhebern der Revolution zugedacht, auf die Creaturen der neuen Macht übertragen wurde. Nur die vom Consul ernannten Beamten wurden rechtlich und gesetzlich in die Listen ausgenommen. Dagegen wurde die Macht und Autorität des Senats wesentlich vermindert und auch dieser Areopag der konservativen Rechtsordnung dem Willen des Staatsoberhauptes unterworfen. Die Befugniß, verfassungswidrige Gesetze und Handlungen zu cassiren, wurde an Bedingungen geknüpft, die ihr alle Bedeutung nahmen, und das Recht des Senats, seine eigenen Mitglieder zu wählen, wurde dahin beschränkt, daß er nur zwischen drei von der Regierung und den beiden gesetzgebenden Gewalten vorgeschlagenen Candidaten die Wahl zu treffen habe. Der Senat, eine Versammlung hochbesoldeter und wenig beschäftigter Männer, deren erste Zusammensetzung von der Regierung ausging, wurde bald zu einer Versorgungsanstalt und Zufluchtsstätte von Berühmtheiten, denen das Alter die thätige Laufbahn versagte, oder der Lohn gewisser Anhänger, die nicht nützlicher verwendet werden konnten. Um so durchgreifender war die Aeuderung der Exe cutive. Der Großwähler, der nach der Idee des Gesetzgebers die Eigenschaften und Befugnisse eines englischen Königs und amerikanischen Präsidenten in sich vereinigen sollte, fand keine Gnade vor Bonaparte's Augen. Er nannte ihn den blutlosen Schatten eines Roi faineant. Sein Wille setzte es durch, daß die vollziehende Gewalt drei auf zehn Jahre gewählten Consuln übertragen ward, von welchen dem ersten Consul Bonaparte die Oberleitung des Friedens und des Krieges, die Ernennung aller Staats- und Militärbcamten, die Besetzung der Gcrichtsstellen, mit Ausnahme des Cassationshofes und der Friedensrichter, sowie die Initiative der Gesetze mittelst des von ihm zu ernennenden Staatsrathes zustanden, während die beiden andern Consuln nur die Beiräthe des Ersten sein sollten. Dadurch wurde das ganze Verfassungswerk zu Gunsten der vollziehenden Gewalt umgestaltet und seines Charakters entkleidet. Die Volkswahleu und die gesetzgebende Macht blieben Scheingebilde, schattenhafte Organe ohne Blut und Leben, indeß die ganze Staatsgewalt in den Händen eines einzigen Oberhauptes vereinigt ivar. Selbst die Verantwortlichkeit der Minister war ein bloßer Schein. Nur wenn der Staatsrath die Versetzung in Anklagestand guthieß, konnten sie zur Rechenschaft gezogen werden. Der Nation war nichts gelassen als das Peti tionsrecht, „die letzte Zuflucht und der letzte Trost in Zeiten der Knechtschaft". >md Gegenüber einein so starken und klaren Geiste wie Bonaparte war Sieyes C°nstan" ohne männliche Haltung und Willenskraft. Wie er sich in der Schrcckcnszcit unter die Dictatur Robespierre's gebeugt und dadurch wenigstens sein Leben erhalten hatte, so beugte er sich jetzt unter Rapoleon's Consulat. Seine Unter-