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968 o. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. Karl XII. erzwang (S. 888), wurden nach seinem Fall vergessen. Siebenbürgen ward den österreichischen Evangelischen Freistätte und Exil, seitdem in Ungarn die poli tische und kirchliche Rcaction unter den Magnaten große Fortschritte machte S. 449. 456). Zn Salzburg waren seit dem 16. Jahrhundert stille Gemeinden Cvangelisch- gesinnter als fleißige Untcrthancn geduldet worden, bis der Erzbischof Leopold Anton Graf von Firmian sic mit Gewalt bekehren wollte. Sie sollten die Bibeln, die sic in ihren Häusern zu lesen pflegten, und ihre Gebets- und Andachtsbücher ablicfcrn, die Messe besuchen und den katholischen Gruß bieten. Ihre Weigerung wurde als Empö rung gegen die Obrigkeit erklärt und zur Anwendung von Gewalt benutzt. „Da schwuren hundert Aclteste aus die Hostie und geweihtes Salz in einer einsamen Kluft der Schwarzach unter der Sonntagsmorgcndämmerung dem drcimalcinigcn Gott Treue am evangelischen Glauben und einander ein brüderlich Herz im Unglück." Das erzbischöfliche Emigra tionspatent vertrieb sie unter den härtesten Bedingungen von Haus und Hof; an 20,066, welche in ihrer Heimath an Hab und Gut noch über 21/2 Millionen Gulden zu fordern hatten, fanden Gastfreundschaft in Preußen, wo ihre Abkömmlinge noch heut zu Tage mitten unter litthauischer Bevölkerung ungemischt fortbestehen. Die Vermögenderen unter ihnen kauften sich Freigüter, die Unbemittelten erhielten Kossäthcnhöfe, die sie auf >7.22. ihre Kinder vererben konnten. Dreihundert wurden im nächsten Jahr mit englischer Hülfe nach der damals neuen Kolonie Georgia gebracht und mit Grundbesitz versehen. Ihre Nachkommen haben sich durch Fleiß, Sparsamkeit und häusliche Tugend Wohlstand erworben. Unter welchen Bedrückungen die Rcformirten in der Pfalz seit der Ryswick- schcn Clauscl zu leiden hatten, ist früher erwähnt worden (S. 939 ff.). Ihre Klagen und Beschwerden auf dem Regensburger Reichstag bildeten eine ununterbrochene Lei densgeschichte. — Rächst den Bedrückungen der Evangelischen war besonders das Her- überziehcn einzelner Fürsten zur katholischen Kirche ein Mittel zur Beförderung des Katholicismus und der Erhaltung der Uneinigkeit in Deutschland. Wir haben in der Geschichte der deutschen Staaten gesehen, daß es kaum ein protestantisches Fürsten haus gab, aus dem nicht einzelne Glieder dein Glauben ihrer Väter entrissen wurden. Sachsen erhielt dauernd, Braunschweig in Anton Ulrich, Hannover in Johann Friedrich, Würtcmbcrg in Karl Alexander vorübergehend katholische Regenten; das pfalz-zwci- brückischc Fürstenhaus, das in der Folge den baierischen Königsthron bestieg, trat gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts zur katholischen Kirche über; Landgraf Emst von Hesscn-Rheinfels suchte bei der päpstlichen Autorität Zuflucht gegen die Zweifel und Entzweiungen in den protestantischen Confcssioncn und bemühte sich auch Leibniz zu dem selben Schritt zu bewegen. Man hat bänderciche Werke verfaßt, in denen die Vorkämpfer des Papismus die Triumphe und Eroberungen ihrer Kirche als Beweise der siegreichen Kraft der katholischen Lehre vorführten: Wer aber Herzen und Nieren zu prüfen vermöchte, dem würde cs nicht entgehen, wie viele weltliche und unlautere Motive mitwirktcn oder den Ausschlag gaben. Den Einen lockte der Ehrgeiz und die Aussicht aus Rang, Aemter und Würden, den Andern künstlerische Neigungen und Liebe zu Pracht und Ccrcmonicn. Und seitdem der Uebertritt zuni Modeton gehörte und als Zeichen feiner vornehmer Bildung galt, mehrten sich in den aristokratischen Kreisen die Abfälle. vc,suchc° Wie sehr auch immer durch den Bckchrungseiscr der Jesuiten und anderer Ordens- ' geistlichen die confessioncllc Spaltung vergrößert, wie sehr durch die Intoleranz der orthodoxen Lutheraner innerhalb der protestantischen Kirche selbst der religiöse Hader genährt und geschürt ward; so fehlte cs doch auch im fiebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert nicht an Versuchen, aus friedlichem Wege durch Ausgleichung der llnter- scheidungslehrcn eine kirchliche Einigung herbcizuführen; doch waren alle diese Versuche so wenig von Erfolg begleitet als im Rcformationszeitalter, ja sie führten gewöhn-