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964 6. Das achtzehnte Jahrh. in den vier erste» Jahrzehnten. ein einsichtsvoller kräftiger Fürst, welcher die unter seinem Bruder eingerissencn Unord nungen zu beseitigen und den gesunkenen Wohlstand zu heben bemüht war. Aber schon nach vier Jahren ging auch er kinderlos aus der Welt und nun gelangte der Sohn jenes Ferdinand Albrccht, des Stifters der Bevcrnschcn Linie, der den Namen des VaterS trug, zum Besitz der gesammten Braunschwcigschcn Lande, Ferdinand war ein tapferer Soldat, der sich in den kaiserlichen Heeren während der Türken- und Franzoscnkriegc ausgezeichnet hatte. Aber er starb noch in demselben Jahre und hatte seinen Erstge- A^borncn Karl zum Nachfolger, Den zweiten Sohn Anton Ulrich haben wir früher alS" ' Gemahl der russischen Kaiserin Anna kennen gelernt jS, öl6), Dein dritten Sohne Ludwig Ernst, der die kriegerische Laufbahn cinschlug, die dem Gesehlcchte so hohen Ruhm eintragen sollte, werden wir später als Gcneralcapitän der Republik Hol land und Vormund des Erbstatthalters Wilhelm V, begegnen. Die drei jüngeren Söhne Ferdinand, Albrccht und Friedrich Franz dienten unter Friedrich II,, dessen Ge mahlin Elisabeth Christine ihre Schwester war, in den preußischen Heeren mit Ruhm und Auszeichnung, Wir werden des tapferen FcldherrnFerdinand und seines Neffen und Großneffen gleichen Namens noch des öfteren gedenken müssen. Bei so nahen Be ziehungen zu Preußen wurde das Herzogthum Braunschweig-Wolfenbüttcl in die Ge schicke dieses Staats verflochten und theilte mit demselben die Tage des kriegerischen Ruhmes wie die des Unglücks und der Leiden, Während sein Bruder, der ältere Fer dinand sich in den Schlachten des siebenjährigen Krieges Lorbeer« erkämpfte und dann auf seinem Schlosse zu Vechelde in der Zurückgezogenheit des Privatlebens seine späteren Tage verbrachte, richtete der mit einer preußischen Königstochter vermählte Herzog Karl, der sich für den Zwang und die Enthaltsamkeit, die ihm eine rigorose Erziehung in der Jugend auferlegt, durch Hingebung an eine schrankenlose Freiheit und Cigcnwilligkeit zu entschädigen suchte, in Braunschwcig Hof und Regierung in einer Weise ein, wie sie der neuen glänzenden Rangstcllung des Hauses zu entsprechen schien. Ein Mann von unternehmendem Geiste, von Bildung und Einsicht hat er manche zweckmäßige Einrich tungen ins Leben gerufen, das Schulwesen gehoben, unter dein Beirathc des Abtes Jerusalem das Collegium Carolinum gegründet, und an der Rcformthätigkcit seiner Zeit regen Anthcil genommen. Aber diese Lichtseiten wurden durch große Schatten verdunkelt. Leidenschaftlich, genußsüchtig, verschwenderisch gab er sich den Freuden des Hoflebcns im Uebermaß hin; Braunschwcig, die neue Residenzstadt, sollte ein kleines Versailles darstcllcn. Ein prachtvolles Theater, das einen Zuschuß von jährlich 70,000 Thalcrn erforderte, die glänzende Hofhaltung, der großartigste Aufwand, die Unterhaltung schöner Frauen, kostspielige Reisen, leidenschaftlicher Hang zuin Glücks spiel, die Vermehrung des Militärs, Karls Projektemnacherci und seine „alchhmistischen Versuche" verschlangen unermeßliche Summen und machten die Lage des Landes trauriger denn je, „Die Ausgaben überschritten die Einnahmen um jährlich 80,000 Thalcr und die Schuldcnmasse des Herzogthums erhöhte sich bis auf fast zwölf Millionen, Der Minister von Schlicstädt hatte seine liebe Noth, bei solchen Finanzvcrhältnissen noch immer Geld beizuschaffcn, und doch ward es täglich von ihm verlangt," Bon dem Hofe Karls hat Lessing die Züge für sein Drama Emilia Galotti entlehnen können. Dann und wann schnitt ihm die Noth des Volkes ins Herz, dann sann er auf Abhülfc und wollte die Lasten vermindern. Aber es fehlte ihm an der erforderliche» Thatkraft, „Mit Heftigkeit ging er auf die ihm vorgelcgtcn Pläne ein, uni sie eben so rasch über einen ncugcbotencn Sinncngenuß wieder zu vergessen," Als später der Erbprinz Wilhelm Ferdinand an der Regierung Thcil nahm, wurden manche Schäden und Mißständc beseitigt; daß aber auch er in dem englisch-amecicanischm Krieg an dem Soldaten-