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V. Preußen und das deutsche Reich. S63 ständigen politischen Lebens. Hannover sank zu einem deutschen Kleinstaat herab, der von London aus seine Impulse erhielt. Unter der Aristocratie riß ein dünkelhafter Ehrgeiz und Hochmuth und ein rechthaberisches Selbstgefühl ein. Die Standcsintercsscn Überwegen die vaterländischen. An Größe und äußerer Machtstellung blieb das Herzogthum B raunschw eig- Wolfenbüttel hinter dem andern wclfischen Stanimland zurück: dafür erlangte W°lfe>>- scin Fürstenhaus die höchsten militärischen Ehren. Als der eigentliche Gründer dcr^"°'' Braunschwcig-Wolfcnbüttel'schen Linie ist Herzog August der Iüngcrc zu betrachten, ein durch Studien und weite Reisen gebildeter Fürst, der nach Kräften bemüht wart mir die Wunden zu heilen, die der große deutsche Krieg dem Lande geschlagen, und neben der Verbesserung des Gerichtswesens besonders auf Hebung des Unterrichts und der Volksbildung bedacht war. Die Wolfcnbütteler Bibliothek ist hauptsächlich seine Schöpfung. Auch er suchte durch Einführung der Primogenitur weiteren Theilungcn vorzubcugen; allein die Absicht wurde nur mangelhaft durchgcführt: nicht nur daß sein Erstgeborner Rudolf August, dem die Staatsgeschästc zur Last ivaren, seinen Bruder Anton Ulrich zur Mitregierung in Braunschweig-Wolscnbüttcl berief; p'!n>n sein jüngster Bruder Ferdinand Albrecht I. vereinigte einen namhaften Thcil der^A^ck' Besitzungen zu einem eigenen Herzogthum Braunschwcig-Bevcrn und wurde der Frrdmimd Stifter einer besonderen Linie, der eine große Zukunft beschicken war. Unter Rudolf August wurde, wie erwähnt, durch die Veranstaltung des gcsammtcn Wclfcnhauses die'««7. Stadt Braunschweig gezwungen, ihre Ansprüche auf Autonomie aufzugebcn und dem 3>mi Herzog Huldigung zu leisten. Obwohl später zur Hauptstadt des Herzogthums Braun- schwcig-Wolsenbüttel erhoben gelangte sie nie wieder zu dem Glanze, in dem sich die alte Hansastadt gezeigt hatte. Von den beiden regierenden Brüdern war der zweite, Anton Ulrich, weitaus der bedeutendere. „Er war ein stattlicher Mann, gebieterisch und gleichzeitig durch Freundlichkeit gewinnend, prachtliebend, wcltklug, nicht ohne Neigung für Jntriguc und rasch in der Ausführung, von fein berechneten Entwürfen." Durch Studien und Reisen mit Künsten und Wissenschaften befreundet hat er sich be sonders die Hebung der Bildung seines Landes angelegen sein lassen. Von seiner Liebe für die Wissenschaften gicbt die Wolfcnbütteler Bibliothek, die er bedeutend vermehrte, Zeugniß, von seinen literarischen Arbeiten ist S. 765 die Rede gewesen. Dort wurde auch erwähnt, daß er noch in seinem hohen Alter zur katholischen Kirche übertrat. Es geschah dies um dieselbe Zeit, als seine Enkelin Elisabeth Christine bei ihrer Vermählung mit dem Erzherzog Karl von Oesterreich gleichfalls die Religion wechselte (S. 827). Cr hoffte sich dadurch am Wiener und Versailler Hof in Gunst zu bringen und die Er hebung Hannovers zur Kurwürde, gegen die er viele Jahre selbst mit conspiratorischcn Mitteln vergeblich gearbeitet hatte, zu hintcrtreiben oder rückgängig zu machen. Da der ältere Bruder Rudolf August, der keine Söhne besaß und nach dem Tode seiner Gattin ein uncbenbürtiges Chebündniß mit „Madame Rudolphinc", der Tochter des Chirurgen Menthe von Minden geschlossen hatte, 'im Jahre 1704 starb, so übernahm Anton Ulrich allein die Regierung in Braunschweig-Wolfenbüttcl, die bei seinem Tode (1714) auf seinen Sohn August Wilhelm überging, einen lebensfrohen freundlichen August Herrn, dem cs aber an Charakterfestigkeit und Mcnschenkenntniß gebrach. Um seinem Hang zu glänzender Hofhaltung und seiner Baulust fröhnen zu können, wozu die Kammercinkünfte nicht hinrcichten, schloß er mit England einen Subsidimvcrtrag, worin er sich gegen eine Summe von 25000 Pf. St. zur Lieferung von 5000 Mann ver pflichtete. Unwürdige Günstlinge genossen und mißbrauchten sein Vertrauen. Obwohl dreimal verheirathet starb August Wilhelm kinderlos, und nun übernahm sein Bruder «»Lwig Ludwig Rudolf, der bisher die Grafschaft Blankenburg besessen, die Regierung, 61"