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V. Preußen und das deutsche Reich. 961 Die Prinzessin mar ursprünglich mit Georg Wilhelm verlobt gewesen ; dieser trug jedoch mehr Gefallen an einem freien ungebundenen Leben, um ungestörter seiner Reiselust sich hingebcn zu könne», und bewog daher seinen jüngsten Bruder an seine Stelle zu treten, indem er sich zugleich schriftlich verpflichtete, keine Ehe zu schließen. Cr blieb seiner Zusage lange treu, da er bei näherer Bekanntschaft niit seiner geistreichen Schwä gerin sür Sophie selbst große Neigung empfand, welche von dieser gethcilt wurde. Ms er aber einst bei einem Besuche auf dem Schlöffe zu Iburg eine französische adelige Dame von hoher Schönheit, Eleonore d'Olbrcu sc kennen lernte, bereute er sein Versprechen. Er bewog die Geliebte, die Seine zu werden und schloß nach einiger Zeit ein Ehebünd- niß mit ihr, und als sie im I. 1666 eine Tochter, Sophie Dorothea gebar, bewirkte Georg Wilhelm am kaiserlichen Hofe, daß dieselbe lcgitimirt und die Mutter, die bisher als Madame de Harbourg bekannt war, als Gräfin von Wilhclmsburg anerkannt ward (1674). Sic erhielt eine standcsmäßige Ausstattung und einen Hofstaat, der hauptsächlich aus Franzosen bestand. Doch sollte das geltende Succcssionsrecht dadurch keine Acndcrung erleiden. Unter dieser Bedingung gab die Familie die Zustimmung, daß die Reichsgräfin von Wilhclmsburg zur Herzogin, ihre Tochter zur Prinzessin von Braunschweig und Lüneburg erhoben würde 1686). Diesem folgte zwei Jahre später noch ein weiterer Familicnvcrtrag, kraft dessen Georg Ludwig, der älteste Sohn Ernst Augusts von Calenberg sich mit Sophie Dorothea vermählen und zugleich die Primogenitur eingcführt werden sollte. Dadurch wurde die Vereinigung der beiden Hcrzogthümcr nach dem Tode Georg Wilhelms bewirkt. Seitdem wuchs das hanno versche Haus wie ein Palmbaum empor. Wir wissen, daß Ernst August, dem seine kluge Gemahlin Sophie, und verständige Rüthe wie Platcn, Grote, Voß rathend zur Seite standen, den Rang eines Kurfürsten des Reichs erlangte und daß derselbe Sohn Georg Ludwig als Georg I. den Thron von Großbritannien bestieg. In den drei letzten Jahrzehnten, als die unruhige Leidenschaft sich gelegt, zeigte sich Georg Wilhelm als trefflichen Regenten, gleich bedacht für die Wohlfahrt seines Landes wie sür eine würdige Stellung nach Außen. Zum Kreisobcrstcn des nicdcrsächsischen Kreises ernannt, nahm er gemeinschaftlich mit seinem Bruder Ernst August Theil an dem Kriege des Reiches wider Frankreich; aber sein Versuch, bei der Gelegenheit die schwedischen Be sitzungen von Bremen und Verden an das wclfischr Haus zu bringen, wurde durch.Lud wig XIV. vereitelt. Wie Pommern, so mußten auch die Territorien an der Weser im Nymwegcr Frieden zurückcrstattct werden. In dem zweiten Coalitionskricg stand er dem Dränier und den Gcneralstaatcn zur Seite. Bei dem kinderlosen Tode des Herzogs Julius Franz von Sachscn-Lauenburg (1689) machte Georg Wilhelm die Rechte des wclfischen Hauses kraft einer alten Erbverbrüderung geltend und bahnte den Anfall dieses Herzogthums an das Kurhaus Hannover an. Auf seine Anregung wurde die Stadt Braunschwcig, die gegenüber dem Herzog Rudolf August von Wolsenbüttcl fast reichsstädtischc Rechte in Anspruch nahm, in die Stellung gewiesen, die den übrigen Welfcnstädten entsprach. Das Kirchen- und Schulwesen wurde in liberalem Sinne rcformirt, eine Wittwen- und Waiscnkasse gegründet. Nicht ohne innere Kämpfe gelangte der jüngste Bruder Ernst August von Calcn- Erwerbung berg zu dem Ziele, das ihm sein staatSklugcr Ehrgeiz Angegeben. Sein jüngerer Sohn würde"' Maximilian Wilhelm suchte durch conspiratorische Umtriebe das Gesetz der Untheilbar- kcit und Primogenitur umzustürzcn und ließ sich in staatsvercütherischc Verbindungen ein, die dein Zwischenträger Moltke einen gewaltsamen Tod auf dein Schaffet, ihm selbst Hast und freiwillige Verbannung brachten. Mit Maximilian Wilhelms Aus wanderung entging Hannover zum zweitenmal der Gefahr einer Rcligionswandlung; denn auch er stand mit Wien und Rom in vertraulichen Beziehungen und trat, wie Wrbrr, Weltgrschichte. XII. ßl