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958 O. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. Theodor das Kurfürstenthum Baiern mit der Rhcinpsalz. Wir werden die 1777—I7S9. Irrungen und Streitigkeiten, welche bei dem Thronwechsel zwischen Oesterreich und Baiern entstanden, an einem anderen Orte kennen lernen : für Baiern war die Regierung des leichtsinnigen verschwenderischen Fürsten ein Rückschritt zu den alten traurigen Zu ständen. Für seine Kunstlicbc bot das damalige München keinen geeigneten Boden; die Aufhebung des Jesuitenordens brachte dem baicrischen Lande keinen Vorthcil, da der Kurfürst die cingczogencn Güter hauptsächlich der Stiftung einer baicrischen Zunge des Malteserordens zuwandte und durch die Verfolgung der Jlluminatcn, durch PGß- terrorismus und durch die strenge Ueberwachung alles geistigen Lebens in der Schule und im Staate deutlich genug erkennen ließ, daß er den, jesuitischen Geiste nach wie vor ergeben blieb und von dem Rcformcifer seiner Zeit sich fern hielt. Am Ende seiner Regierung, heißt es bei einem neueren Geschichtschreiber, war das Land erschöpft und ohne Credit, das Heer in der elendesten Verfassung, die Stellen in der Armee wie im Civildicnst durch Gunst verliehen oder verkauft, der größte Theil des Adels arm, der begüterte meist tief verschuldet, die Geistlichkeit unwissend, die Religion ein todtes For- mcnwesen, der Unterricht vernachlässigt, die Städte durch Magistrate niedcrgehalten, die jede freie Regung und Bewegung in Handel und Verkehr hemmten, das Landvolk unwissend und roh nnd durch die Bestechlichkeit der Beamten tief entsittlicht, in der Ver waltung die Herrschaft schrankenloser Polizeiwillkür. ä. Sachsen und Braunschweig-Hannover. i-Km- Kxjn deutsches Land hat wohl so viele Leiden und Drangsale aufzuweisen als " ' das Kurfürstcuthum Sachsen unter Friedrich August ll., dem Starken (S. 677) und seinem Sohne Friedrich August III. Beide sind uns aus der Geschichte Polens zur Genüge bekannt. Wir wissen, daß der erstere seiner Sinncnlust, seiner Prachtliebe, seinem Ehrgeize den Glauben seiner Väter, die Liebe seiner Unterthancn und dm Wohl stand seines Landes zum Opfer brachte, daß er durch seinen Rcligivuswechsel die Stel lung Kursachscns als Haupt des protestantischen Deutschlands verscherzte, um die leere Würde eines polnischen Wahlkönigs zu erlangen. Wir haben erwähnt, wie sehr der leichtsinnige , gewissenlose Fürst über Opern und Conccrten, über Festlichkeiten und Lustschwelgereien, über Buhlereien und Jagdgetöse die Thräncn seines Landes während des schwedischen Krieges und die Leiden des gedrückten schwcrbestcucrtcn Volkes übersah. Im I. 1708 legte der ständische Ausschuß dem Kurfürst-König die Noch ans Herz, welche durch die Naturalverpflegung des Militärs entstanden: „daß selbige, wenn sie auch ausS vorsichtigste und sparsamste eingerichtet würde, dennoch alle Geldverwilligungen übersteige, und in manchen Dörfern kein Brod mehr vorhanden sei, sondern das von den Kindern zuvor erbettelte den Soldaten gereicht werden müsse." Alle waffenfähige Mannschaft vom 20. bis zum 40. Jahr wurde zum Kriegsdienst aufgcbotcn, während die Ritterschaft sich durch ein Donativ von den, ihr obliegenden Naßdienst loskaufen durfte. Die Steuern und Auflagen für Kricgskosten und Militär, für die Landes regierung und die Hofhaltung, für Prachtbauten wie Elbbrücke, Zwinger u. a., für die von August II. begründete, von dem Nachfolger vermehrte Kunstsammlung überstiegen die Kräfte des Landes: man mußte durch Eonsumtionsstcuern, durch Verpfändungen, durch Anlehen, durch Veräußerung von Domanialgut, durch hohe Verpachtung der Regalien und andere drückende und verderbliche Mittel die Einnahmen vermehren. „Der damalige Hof", heißt cs in der chursächsischen Geschichte von Weiße, „war einer der glänzendsten in Europa, und sein Aufwand, der durch die Freigebigkeit des Königs , gegen seine Günstlinge noch mehr vergrößert wurde, den Kräften des Staats so wenig