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956 6. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. endigte. Wenn schon während dieser Zeit das baicrische Volk für die Ruhm- und Chrbegicrde seines Kurfürsten Gut und Blut hiugebcn mußte: wie mußten erst die An strengungen wachsen, als Max Emanucl einen so thätigen Anthcil an dem spanischen Erbfolgekricg nahm! Die süddeutschen Fürsten, mochten sic immerhin treu zu Kaiser und Reich halten, konnten nie auf „Dank vom Hause Oesterreich" zählen; sie lebten immer in einer gewissen Beängstigung vor der habsburgischen Ländcrgicr. Der baicrische Kur fürst glaubte daher durch seinen Anschluß an Frankreich mehr in seinen ehrgeizigen und dynastischen Interessen befriedigt zu werden als durch die Allianz mit Habsburg: o:r folgte seinem Schicksale, das ihm zwar kriegerischen Ruhm und einen Rainen in den großen politischen Angelegenheiten cintrug, aber auch den Vorwurf, daß er sich von der gemein samen Sache der Nation entfremdete. Wir wissen, welche Leiden und Mißgeschicke sein Tyroler Feldzug, seine Niederlage bei Höchstädt, seine Abwesenheit in Brüssel überfein Land und sein Haus brachten. Anstatt einer Königskronc, die er seiner Dynastie zu gewinnen hoffte, wurde ihm und seinem Bruder die Rcichsacht zu Thcil und anstatt eines neuen Ländergcwinnes, worauf sein Sinn gerichtet war, mußte er erleben, daß sein eigenes Stammland unter österreichische Verwaltung genommen und zu fremden Zwecken nach dem Eroberungsrecht ausgebcutet ward. Wie einst in Würtcmberg so wurden jetzt in Baiern Städte, Herrschaften, Territorien an Diener und Anhänger des Kaiser hauses verliehen. Die Sohne des Kurfürsten lebten als Grafen von Wittclsbach auf österreichischem Gebiete; seine Gemahlin floh nach Italien; die Oberpfalz nebst der Grafschaft Cham ward von Baiern losgerisscn iS. 807). Nach dem Frieden von Baden wurde der Kurfürst wieder in seine Länder und Würden eingesetzt, aber mit den hochfligenden Plänen war es vorbei. Doch hatte er die erfreuliche Erfahrung ge macht, daß das baicrische Volk treu zu dem Wittclsbacher Herrscherhaus stand und Noth und Widerwärtigkeit mit ihm zu theilen bereit war. Der Unionsvcrtrag, den Max Emanucl zwei Jahre vor seinem Tode mit Kurpfalz abschloß, kraft dessen bei dem Er löschen der einen Linie der Wittelsbacher die andere in den gesammten Ländern nach den Hausverträgm succediren sollte, konnte als Versuch gelten, das Band der An hänglichkeit zwischen Dynastie und Volk zu befestigen und zu erhalten. A!b«chr Max Emanuels Sohn und Nachfolger Karl Albrecht hatte während der öster- 26—>745. reichischen Occupation mehrere Jahre in Graz verlebt und war erst nach der Restitution seines Vaters nach München zurückgckehrt, ein Jüngling von achtzehn Jahren, inangel- yaft erzogen und von mäßigen Gcistesgaben. Die feindselige Gesinnung zwischen Habs burg und Wittelsbach verlor sich allmählich; als der neue Türkcnkricg in Ungarn ent brannte, gestattete Max Cmanuel seinem Erstgebornen baicrische Hülfstruppen in die Donauländer zu führen, die bei der Eroberung von Belgrad mitwirktcn. Wie einst der Vater so erhielt auch Karl Albrecht zum Dank für seine Dienste die Hand einer Habs burgerin. Maria Amalia, die zweite Tochter des verstorbenen Kaisers Joseph I. wurde seine Gemahlin. Bei ihrer Vermählung Unterzeichneten sie die pragmatische Sanction. Vier Jahre später trat Karl Albrecht die Regierung an. Er fand ein Land, das durch den Krieg tief verschuldet, durch die Macht und den vorherrschenden Einfluß des Clerus jedes geistigen Schwunges beraubt war, wo Wallfahrten, prunkende Kirchenfeste und werkheilige Religionsdicnstc Aberglauben und Trägheit nährten und kaum ein Strahl der Aufklärung, die anderwärts die Welt zu erleuchten begann, in das Volksleben ein drang. Und wie sollte der neue Fürst, der getreu den Traditionen und dem politisch kirchlichen Systeme seines Hauses sich von Jesuiten und Geistlichen leiten ließ, von der Welt lage nur dürftige Kenntnisse besaß und der Richtung der Zeit gemäß die Würde und Ehre der Herrschaft in äußerem Glanz und Schimmer, in Prunk und Hvffestcn erblickte, in diese träge uud geistlose Masse Wandel bringen, die Seele auf höhere Dinge lenken,