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V. Preußen und das deutsche Reich. 955 Rcgcntcnpfiicht u»d ries manche zweckmäßige und segensreiche Schöpfung ins Leben. Vor Allem hat er durch die Stiftung der „Hohen Karlrschulc" oder „Militärakademie" zuerst auf der Solitüde, dann in Stuttgart, seinen Namen auf die Nachwelt gebracht. Baiern hat im siebenzchntcn und achtzehnten Jahrhundert wiederholt den Versuch gemacht, sich zu einer deutschen Großmacht aufzuschwingcn bald an der Seite Oesterreichs, bald mit Hülfe Frankreichs. Diese Versuche gingen jedoch lediglich von zwei unterneh menden aufstrebenden Fürsten aus, ohne im Volke selbst eine kräftige Untcrstüßung zu finden. Altbaiern war eine zu schwache und unsichere Unterlage für einen größeren Staatsbau, der geistige Horizont des Volkes zu beschränkt, die religiöse Bildung zu engherzig, der patriotische Aufschwung zu particularistisch und höherer Zwecke uu- fähig. Maximilian I., der dem Herzogthum den kurfürstlichen Rang erwarb und,ja"u"' die Oberpfalz nebst der Grafschaft Cham als Preis seiner kriegerischen Anstrengungen I davon trug, hat durch seinen konfessionellen Eifer, seine jesuitische Politik und seine ultramontan-klerikalc Ausschließlichkeit während seiner langen Regierung in der tiefbe wegten Zeit des dreißigjährigen Krieges hauptsächlich diesen engherzigen Gesichtskreis geschaffen, und eine geistige Richtung genährt und großgezogen, die für höhere Ziele, für einen humanen, weitherzigen Geistcsschwung keinen Raum ließ. Das System des Jesuitenordens ging dem Baicrnherzog Maximilian l. in Fleisch und Blut über, und wie in seinem Privatleben, so verwirklichte er cs in seiner Regierung mit einer Energie, Consequenz und Strenge, welche in ihrer Kälte und Leidenschaftlostgkeit einen fast un heimlichen Eindruck machen. „Es ist als ob unter menschlicher Hülle ein Prinzip nach unbeirrbarer innerer Nothwendigkcit wirkte." Maximilian hat die strenge Disciplin eines rigorosen Ordcnsvorstchers in die Staatsverwaltung cingeführt, mit unbeugsamem Fanatismus jede unrömische und «katholische Richtung in seinen Landen auszutilgen gesucht, das bürgerliche, häusliche und sittlich-religiöse Leben seiner Unterthancn nach mönchischer Ascetik und Klosterregel mit Bußen und Strafen, mit Polizei und Amtstyran- , nei herangebildet. Sein Sohn und Nachfolger Ferdinand Maria blieb der Politik und Geistesrichtung des Vaters treu; doch theilte er nicht dessen kriegerische Neigungen, t M79. Bon dem großen Coalitionskrieg, der während seiner Regierung gegen Ludwig XIV. geführt ward, hielt er sich fern, da seine Gemahlin Adelheid Henriette, Tochter des Herzogs Victor Amadeus von Savoyen und einer französischen Prinzessin, welcher der Kurfürst großen Anthcil an den Regierungsgeschäften gestattete, Sympathien für Frankreich in ihm nährte. In der inneren Politik dagegen folgte er dem väterlichen Borbilde. „Er baute Kirchen und öffentliche Gebäude für Karmeliter und Theatiner; er verstattete die weitere Verbreitung der Kapuziner und Franciscaner; er stellte in der Oberpfalz die ehemals aufgehobenen Klöster wieder her; die Mönche verlebten unter ihm eine glückliche Zeit." Doch war er dabei zugleich ein guter Wlrth : er verminderte die Auflagen, beförderte den Ackerbau und suchte durch Sparsamkeit dein erschöpften^ ^ Staate aufzuhelfen. Die Schicksale seiner Söhne, von denen der ältere Maximilian Em^nuel Emanucl die kurfürstliche Würde in Baiern ererbte, der jüngere Joseph Clemens dcn'k^o. kurfürst-erzbischöflichen Stuhl in Köln bestieg und damit noch die Bisthümer Lüttich und Hildesheim verband, sind uns aus früheren Blättern hinlänglich bekannt. Wir wißen, daß Maximilian Emanuel in den zwei ersten Jahrzehnten seiner Regierung treu zu Oesterreich hielt, gegen die Türken vor Wien und bei Mohacs und Belgrad kämpfte, zum Dank für seine Dienste und für die großen Opfer an Geld und Mannschaften, welche Baiern für die Sache des Kurfürsten und des Kaisers brachte, die Tochter Leo polds Maria Antonia in die Ehe erhielt. Von dem spanischen Habsburger zum erb lichen Statthalter der Niederlande ernannt nahm Max Emanucl lebhaften Anthcil an dem zweiten Coalitionskrieg wider Frankreich, der mit dem Frieden von RySwick