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V. Preußen und das deutsche Reich. 953 seines HcinuithIandeS zu übernehmen. Es war um die Zeit deS neuen Krieges zwischen Oesterreich und Frankreich, und in Wien war man sehr erfreut, daß ein Fürst, der von Jugend auf in den kaiserlichen Heeren gedient und sich durch sein: Tapferkeit die Würde eines Gcncral-Feldmarschall erworben hatte, den herzoglichen Thron bestieg. Auch nahm Karl Alexander sofort Antheil an den Feldzügen und stellte eine Armee von 12,000 Mann zu dem Reichsheere. Daß auch nach hcrgcstelltem Frieden eine größere Truppenzahl unterhalten wurde als je zuvor, ließ sich von der kriegerischen Neigung des Herzogs erwarten. Und doch war der Aufwand, der dadurch dem Lande erwuchs, das kleinste Nebel: bald trat eine Mißregierung zu Tage, welche der früheren Weibcrherr- schaft an Schmach, Unrecht und Bedrückung in Nichts nachstand. Nicht nur daß Karl Alexander, der in Oesterreich zur katholischen Kirche übcrgetretcn war, trotz seiner feier lichen Erklärung, keine Veränderung in der Verfassung und Religion des Landes vor- zunchmen, den ultramontancn Bckehrungskünstcn allen Vorschub leistete und die con- spiratorischen Pläne einer papistisch-jcsuitischcn Partei zur Beseitigung der Religions- Revcrsalien und Kirchengcsctzc begünstigte; er bediente sich auch zur Mehrung seiner Einkünfte ähnlicher Mittel und Wege wie sein Vorgänger, und wendete sein Vertrauen und seine Gunst einer Persönlichkeit zu, welche der Grävenitz vollkommen ebenbürtig war. Der Herzog hatte aus dem verwildernden Kriegsdienst und dem wüsten Lagerlebcn des Kaiserstaats lasterhafte Sitten und Hang zu Verschwendung und Schwelgerei heim gebracht. Dazu bedurfte er größerer Summen als die laufenden und gesetzlichen Ein nahmen eintrugen. Da erlangte denn der Hofjude Süß Oppenheimer aus Heidel berg, der dem Herzog früher in Frankfurt aus Geldverlegenheiten geholfen, großen Einfluß. Zum „geheimen Finanzrath" erhoben setzte er alle Hebel der Erpressung ein, um dem Herzog Geld für seine Hoffestc, Opern, Theater, Sängerinnen, sich selbst aber unermeßliche Rcichthümer zu verschaffen. Die Kirchen- und Staatsämtcr wurden an die Meistbietenden vergeben, geringhaltige Münzen geprägt. Monopole verkauft, Gerichts- und Bcrwaltungsbescheide zum Vortheil eines neuen „Fiscalamtes" besteuert. „Weg mit Freiheiten, Rechten und Ständen", sagte Süß Oppenheimer; „der Herzog ist Herr und alles was die Unterthanen haben, gehört dem Herzog." Der plötzliche nach einem schwelgerischen Feste in Ludwigsburg cingetrctene Tod Karl Alexanders befreite das Land von dem Juden wie von der zur Katholisirung des Herzogthums angelegten Verschwörung, indem die durch Gcheimcrath und Landschaft angcordncte vormundschaftliche Regierung, an deren Spitze zuerst der hochbctagte Karl Rudolf von Würtemberg-Neuenstadt, dann Karl Friedrich von Würtemberg-Oels stand, in andere Bahnen cinlcnkte. „Jud Süß", wie ihn das Volk nannte, wurde auf den Asbcrg gebracht und nach einem Prozeß, bei dem Willkür, Leidenschaft und Volkshaß auf das Urtheil einwirkten, zum Tode verurtheilt und in einem eisernen Käfig an den Galgen gehängt. Durch die patriotische Thätigkeit des verständigen und erfahrenen BilfingerKarl Eugen, waren die Jahre der Minderjährigkeit des neuen Herzogs Karl Eugen ein Segen für der Mm>er- das Land; und die hohen Gaben und Fähigkeiten des Prinzen, die sich durch eine langten gute Erziehung trefflich entwickelten, ließen eine bessere Zukunft erwarten. Die drei letzten Jahre bis zu seiner Volljährigkeit (1744) verlebte Karl Eugen in Berlin, um am Hofe Friedrichs II. sich in der Staats- und Kriegskunst auszubilden. Als er zur Uebernahme der selbständigen Regierung nach Stuttgart zurückkchrte, legte ihm der König, mit dessen Nichte Elisabeth Sophie von Brandenburg-Bayreuth sich der sieben zehnjährige Fürst verlobte, in einem Aussatze seine Rcgcntenpflichten mit allem Ernst ans Herz. „Glauben Sic nicht, hieß es darin, daß das Land Würtemberg um Ihret willen geschaffen sei, sondern daß die Vorsehung Sie in die Welt kommen ließ, um