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V. Preußen und das deutsche Reich. 949 lasten, den Erbprinzen durch gute Erziehung und Reisen zu seinem Beruf heranzubildcn. Er war in den Ideologischen Studien wohl bewandert und der lutherischen Lehre eben sozu- gethan, wie Friedrich; aber sein Meist war beschränkt und anstatt der unruhigen neucrungs- süchtigen Ihätigen Natur, die den Vater von Projekt zuProjekt trieb, besaß er ein phlegma tisches und lenksames Temperament, Er hatte viele Jahre gebraucht, ehe er sich zurVcrhei- rathung niit Sophia Barbara von Brandenburg entschloß und als der Krieg zwischen Union und Liga ausbrach, „schrieb er Buß- und Beilage aus, Ivo vielleicht sein Vater mit einer Armee auSgerückt sein würde," Die alten Räthe und Beamten, die von Friedrich beseitigt worden, kamen wieder zu Einfluß und Ansehen und bildeten eine Partei der Rache gegen die bisherigen Machthaber, Enzlin wurde wegen Amtsmißbrauch, Unter schieis und staatsverbrechccischcr Handlungen angeklagt und zu lebenslänglichem Gefäng- niß, dann wegen neuer Umtriebe seiner Verwandten, zum Tode verurtheilt und auf dem Markte zu Urach enthauptet. Allein das neue Regiment brachte dem Lande weder Ehre noch Vortheil. Was half cs, daß der Tübinger Vertrag sammt den Landespri vilegien hergestellt, die Stände häufiger als je zuvor einberufen wurden, wenn indessen die Finanzwirthschast in die höchste Verwirrung gerieth, wenn die verschwenderische Hofhaltung und die Ausstattung der zahlreichen Brüder und Schwestern des Herzogs unermeßliche Summen verschlang, wenn innerhalb vier Jahren über eine Million neuer Schulden gemacht wurden und vom Lande bezahlt werden mußten, ohne daß man wußte, wohin das Geld gekommen? Oder war es ehrenhaft, daß die Tübinger Theologen Oslander und Thumm gegen die „Deformation" in Böhmen eiferten und den Herzog von jeder Unterstützung des Pfälzers abmahntcn, die Calvinistcn und vor Allem den Hofprediger Abraham Scultetus Atheisten und Bilderstürmer schalten und die heftigsten Verun glimpfungen aus sic häuften, daß sie durch ihren ausschweifenden Eifer Zwietracht unter allen evangelischen Fürstenhäusern stifteten? Es ist uns bekannt genug, welch klägliches Ende die Union durch die Gleichgültigkeit, Spaltung und Theilnahmlofigkcit der Mit glieder genommen hat: zum Dank für die parteilose Haltung erlebte Johann Friedrich, daß kaiserliches Kriegsvolk in Würtemberg Quartiere bezog und von dem Lande unter halten werden mußte, daß die Jesuiten die Klöster des Herzogthums für die katholische Kirche in Anspruch nahmen. „Kummer und Furcht und Aergcr über seine getäuschte Treuherzigkeit drangen dem guten Herzog endlich so zu Gemüthe, daß er krank wurde und starb." (18. Juli 1628.) Und doch war das bisherige Elend nur ein Vorspiel des kommenden. Das Re- stitutionscdikt sollte für das Kaiserhaus ein Mittel sein, Würtemberg schließlich doch wieder an Oesterreich zu bringen. Kaum hatte nämlich Ludwig Friedrich, der Bruder des verstorbenen Herzogs die vormundschaftliche Regierung über den vierzehnjährigen Sohn desselben, Eberhard III. übernommen, so erging der Befehl, daß alle geistlichen Eb»hardi,i. Besitzungen, selbst solche die schon vor dem Augsburger Religionsfriedcn säcularifirt worden waren, der katholischen Kirche zurückgegebcn werden müßten. Wallensteinische Soldaten gaben dem Gcwaltstrcich Nachdruck: Mönche, Nonnen und fremde Katholiken nahmen Besitz von den alten Klöstern und Kirchengütern und huldigten dem Kaiser als ihrem einzigen Oberhaupte. Dem Herzog-Administrator ging das Elend des Landes sehr nahe; erzog nach Mömpclgard, wo er kurz darauf starb (26. Jan. 1631). Seine Stelle übernahm sein Bruder Julius Friedrich. Bald kamen die Schweden ins Land und machtenden Restitutionen ein Ende; aber die schwedische Einguartierung brachte neue Leiden. Und als nach der Schlacht von Nördiingen der junge Herzog Eberhard, der kurz zuvor selbst die Regierung übernommen hatte, aus Furcht die Flucht ergriff und zu seiner Mutter nach Straßburg eilte, wurde Würtemberg von kaiserliche»: Kriegsvolk überschwemmt und unbarmherzig mißhandelt. Unaussprechlich war der