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948 6. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. Räthc abhängig war erfuhr der lateinische Dichter und Philologe Nicodcinus Frischlin ans Waiblingen. Ein witziger, geistreicher aber streitsüchtiger Mann hatte er sich mit den Professoren von Tübingen, insbesondere dem gelehrten Lrusius verfeindet und den Adel durch die Satire „Lob des Landlebens" worin er die Härte und Rohheit der Guts herren geißelte, tödtlich beleidigt. Angeklagt und verfolgt von seinen mächtigen Gegnern wurde er als Gefangener nach der Feste Hohen-Urach gebracht. Dort machte er einen Fluchtversuch, wobei er durch einen Sturz über die Fclscnwände seinen Tod fand sl590). Eine Aristokraten- und Gelehrtenoligarchic, in welcher die Familie Osi ander, Ab kömmlinge des uns bekannten Königsbcrger Theologen den ersten Rang einnahm, be kleidete die höchsten Stellen in Kirche und Staat. „In der ganzen theologischen Litcrär- geschichte gibt cs keine solche Familie, wo der Vater immer einen noch größeren Pole miker zog, als er selbst war, und bei welcher die ansehnlichsten geistlichen Stellen in ununterbrochener Reihe so lange erblich geblieben sind." Wie Lucas Oslander, der Schwager von Jacob Andreä unter Ludwig, so übten seine Söhne und Nachkommen mehrere Generationen hindurch unter den folgenden Herrschern den größten Einstuß in Kirche und Wissenschaft, streitbare und muthige Kämpfer für die evangelische Sache Als Herzog Ludwig am 8. August 1593 kinderlos aus der Welt ging, folgte ihm sein nächster Verwandter Friedrich I. von Mömpelgard in der Regierung, ein 'Mann von ganz anderem Schlag als der Verstorbene, energisch, unternehmend und gebieterisch. Durch Studien gebildet, durch Reisen welterfahren, in der Schule des benachbarten Frankreich in praktischer Politik unterrichtet, ergriff Friedrich die Zügel der Herrschaft mit fester Hand. Herzog Ludwig hatte ihm das Versprechen abgcnommen, alle geistlichen und weltlichen Räthe und Beamten in ihren Acmtern zu lasten und in dem bisherigen System sortzurcgieren; aber Friedrich kehrte sich wenig daran. In Kurzem waren die bisherigen Machthaber entfernt, selbst Lucas Osiander, als er gegen die Zulassung der Juden in das Herzogthum eiferte und mit seinen seelsorglichcn Er mahnungen dem neuen Herrn beschwerlich fiel, seines hohen Kirchcnamtcs entsetzt. Die Bestätigung des Tübinger Vertrags wurde von Jahr zu Jahr verschoben und Oester reich durch den Prager Vertrag zum Aufgeben seiner Afterlehnherrlichkeit gegen eine hohe Gcldcntschädigung bewogen (X. 506), denn der Herzog wollte keine Macht neben oder über sich anerkennen. Der landständische Ausschuß war zurückhaltend mit seinen Bewilligungen; denn Friedrich brauchte viel Geld für seine Schulden, für seine Verträge, Unternehmungen und Gütcrkäusc, für seine Hofhaltung und stehende Garde, für seine Goldmacher und Alchymisten. Mit Seufzen und innerem Widerstreben bewilligte der Landcsausschuß die Forderungen, um größere Gcwaltstreiche abzüwenden. Der Tü binger Professor des römischen Rechts, Mathäus Enzlin, den Friedrich zu seinem Kanzler machte, war ein dienstwilliges Werkzeug für die absolutistischen Tendenzen seines iev7. Herrn. Als der Herzog endlich zur Einberufung eines Landtages schritt um bei der kricgsdrohcnden Zeitlage größere Geldbewilligungen zu erlangen, verfuhr er und Enzlin wie einst in England Karl I. und sein Minister Strafford. Nach einer fünfzehnjährigen Regierung voll innerer Kämpfe starb Friedrich I. Plötzlich am Schlage, ein Fürst, dessen unruhige Neuerungssucht, Rcsormvcrsuchc, rcchtsvcrlctzcnde Willkürhandlungen an die absolutistischen Bestrebungen eines Richelieu und der Stuarts erinnern, nur daß er ein eifriger Bekenner der evangelischen Lehre blieb, alle Verlockungen der Curie und der Jesuiten standhaft zurückwics. Den aus Oesterreich vertriebenen Protestanten ge währte er auf dem schwäbischen Schwarzwald eine Zufluchtsstätte, aus welcher die „Frcudenstadt" erwuchs. Revolution, die Friedrich angefangen, verschwand „wie ein Irrwisch" als sein io >8-rs2oi Sohn Johann Friedrich die Negierung übernahm. Der Vater hatte cs nicht fehlen