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V. Preußen und das deutsche Reich. die Negierung Karls Theodor hotte auch einige rühmliche Seilen aufzuweisen, wenigstens in den früheren Jahren, che er nach München übersicdclle und Weiber, Günstlinge und Pfaffen gänzlich Meister über ihn wurden. Wie schon erwähnt theilte er mit der französischen Aristokratie die Liebe für Kunst, für wissenschaftliche Bildung, für Ver schönerung und Bereicherung des Lebens. Der Ackerbau und die gcsamuitc Landwirth- schast erfreute sich einer sorgfältigen Pflege; in Frankcnthal erhoben sich blühende Fab riken; der Fluß- und Landhandel wurde gefördert. Und wenn auch die Universität Heidelberg unter dem Einfluß der Ordcnsgeistlichen, welche die meisten Lehrstühle inne hatten, sich nicht zu dem frischen geistigen Leben auszuschwingcn vermochte, das damals in Deutschland seine Schwingen zu regen begann; so hat doch Karl Theodor, der mit Vol taire in brieflichem Verkehr stand und die französische Bildung bewunderte, durch Gründung von wissenschaftlichen Anstalten nach dem Muster des Nachbarstaats auch die Pfalz in den Kreis der Cultur und Zeitbilduug zu ziehen gesucht. So entstand die pfälzische Acadcmic, durch welche die ältere Landeskunde vielfach gefördert ward; so trug die phhsikalisch-ökonomische Gesellschaft, die in der Folge als staatswirthschaftliche hohe Schule neben die Heidelberger Universität trat, viel zur Hebung des Landbaucs und der Camcralwisscnschaft bei; so nahm die „deutsche Gesellschaft" in Mannheim Thcil an der literarischen Bildung der Nation. Die Sternwarte, die Hofbibliothek, die wissen schaftlichen Sammlungen aller Art, die Bildergalerien und Kunstkabinete, das Theater für Oper und Schauspiel erfreuten sich eines großen Rufes. Von den trefflichen Gyps- abgüsscn haben Goethe und Schiller die ersten Eindrücke antikerKunstidealität empfangen. Wir werden im nächsten Band erfahren, wie enge der große dramatische Dichter aus Schwaben in den Mstziger Jahren mit der Mannheimer Hofbühnc verbunden war. Alle diese Schöpfungen rechnete das Volk dein Verdienst des Kurfürsten an; das Schlimme, das unter ihm geschah, wurde seinen Rathgebern und Beamten zugeschriebcn. Daß der junge sinnlich angelegte Fürst sich mit Mätressen und Schauspielerinnen vergnügte, war die damalige Welt gewöhnt. Bei Karl Theodor lag noch ein Cntschuldigungsgrund vor, weil die Kurfürstin nach einer schweren Entbindung den festen Entschluß gefaßt hatte, sich fortan alles ehelichen Umgangs zu enthalten. Der Fürst von Brezenheim, aus dem des Vaters hohe Gunst ruhte, hatte die zur Gräfin von Haydcck erhobene Schau spielerin Sehffert zur Mutter. Auch die Territorien, die südwärts von der Pfalz vielfach zerrissen und getrennt, in unendlichen Parcellirungen sich bis zum Oberrhein und den Vorhöhen des Schwarz waldes ausdehnten und den Markgrafen von Baden-Baden und Badcn-Durlach gehörten, waren den politischen und religiösen Einwirkungen der beiden Großmächte Frankreich und Oesterreich ausgcsetzt. Beide Linien leiteten ihren Ursprung von den Zähringern ab (VI., 647), verfolgten aber in den entscheidenden Lebensfragen ver schiedene Wege. Während Markgraf Philipp II. von Baden-Baden unter der Ein wirkung seiner bäurischen Verwandten und Vormünder von dem evangelischen Glaubens- bekenntuiß, dem beide fürstlichen Häuser beigetretcn waren, der katholischen Kirche wieder zugeführt ward und in allen seinen Gebietstheilcn den Gottesdienst nach den Vorschriften des Tridentinum Anrichten ließ, beharrten die Nachkommen Karls II. von der Pforzhcim-Durlacher Linie, des Erbauers der Karlsburg, die von der Durlachcr Berghöhe nicderschaut, bei dem evangelischen Lehrbegriff. Der Versuch seines zweiten Sohnes Jacob, eines wissenschaftlich gebildeten Fürsten, die katholische Religion, für die er durch den eifrigen Konvertiten Joh. Pistorius und durch Verwandte vom Hause Wittclsbach gewonnen worden, auch seiner Markgrafschaft Höchberg aufzuzwingen, scheiterte an dessen frühem Tode sch 1596) und dem Erlöschen seines Hauses. Den jüngsten Sohn Karls II,, den Markgrafen Georg Friedrich, der nicht blos die 2. B.idcn. Philipp II. von Baden- Baden 1S7S—IS88. Karl II. von Baden- Durlach ISA—1577. <Jacob I I I. von Höchberg 1- 1SS0>. Georg Fried, von Baden- Durlach 1- ISS«.