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924 O. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. und nicht räsonnircn!" war sein beliebter Bescheid auf Eingaben und Vorstcl- lungen. Alles zitterte vor dem zornigen Manne, der nicht den leisesten Wider spruch ertragen konnte, der mit seinen Untergebenen, vom Minister und General bis zum Lakaien und Soldaten, in der heftigsten Weise umging, wohl auch eigenhändig mit dem Stock drcinfuhr; die Straßen wurden öde und leer, wenn sich der gefürchtete König zeigte und selbst nachsah, ob seine polizeilichen Anord nungen befolgt wurden. Niemals gab cs härtere Eriminalgcsctzc und nie wurden sic strenger vollzogen. Für Blutschuld Gnade zu üben, ging ihm geradezu gegen das Gewissen, aber auch auf Diebstahl, namentlich wenn cS sich um Veruntreuung fiskalischer Gelder handelte, stand meist der Galgen. Die ganze Justiz war im höchsten Grade patriarchalisch-willkürlich und summarisch; der König selbst griff beliebig in die Rechtsprechung ein und entschied nach seinen gesunde», oft freilich auch recht rohen und gcwaltthätigcn Begriffen; den schwerfälligen und verwickelten Formen der zünftigen Jurisprudenz war er äußerst abgeneigt. An die Arbeits kraft und Pflichttreue seiner Beamten, die er ohne Rücksicht auf Rang, Stand und Confcssion auSwählte, stellte er die höchste» Anforderungen. Wehe dem, der eine Sitzung ohne Grund versäumte oder zu spät auf dem Büreau erschien; unaufhörlich wurde betont, daß man die Beamten bezahle, damit sie arbeiten. Eine neue Behördenorganisation mit vom König selbst verfaßten Instructionen, die Gründung des „Gcncraldirectoriums", eines Ccntralcollcgiums zum Zwecke größerer Einheit in der Verwaltung und einer systcmatischcn Ordnung des Staats haushaltes, und die zahlreichen eigenhändigen, durch ihre laconischc Kürze und Derbheit berühmten, überall die Sache treffenden Randbemerkungen auf den amtlichen Berichten und Aktenstücken zeugen von der genauen Einsicht des Mon archen in alle Zweige der Verwaltung, von seinem praktischen Sinn und Sach verständnis;. Am wenigsten Interesse hatte der König für die auswärtigen An gelegenheiten, die der gewandte, durchtriebene, oft doppelzüngige Ilgen leitete. Die falschen Künste der damaligen Diplomaten waren seinem geraden offenen Wesen zuwider und er vermochte ihren Schlangenwcgcn nicht zu folgen. -r»'lkswirtl>- Dagegen hatte Friedrich Wilhelm I. ein außerordentliches Verständniß und eifrige SinauM.'Fürsorge für die materiellen Seiten der Staatsverwaltung, insbesondere das Finanz- Industrie. Die Erhöhung der königlichen Einkünfte und die Beschränkung der Ausgaben beschäftigte ihn sein ganzes Leben lang, und cs waren gute und schlechte Mittel, die ec zu diesem Zweck anwandtc, die schonungsloseste und härteste Herabsetzung der Beamtcn- gehälter, oft weit über das gebührende Maß hinaus, der Verkauf von Aemtcru, Titeln und Auszeichnungen, hohe Steuern und drückende Accisc und Cingangszöllc. Durch Errichtung eines scharfen Schutzzollsystems, durch Ausschließung fremder Erzeugnisse dachte er die mangelhafte Industrie Preußens in die Höhe zu bringen, was ihm doch nur unvollkommen gelang und jeden Aufschwung des Handels niedcrhielt. Das Verbot der Einfuhr fremder Fabrikate führte er so schonungslos durch, daß er Len Frauen auf der Straße ihre aus fremdem Baumwollenzcug verfertigten Kleider vom Leibe reißen und kattunene Bettvorhänge aus den Häusern wegnchmen ließ. Seine volkswirthschaftlichcn Ideen waren auf das Nächstliegende gerichtet, und trotz maucher