IV. Der Norden und Nordosten nach Karls XII. Tod. 901 Seelen" i» Stadt und Land der bisherige Unterschied zwischen Hofgesinde (Haus- sclavcn) und Bauernschaften verwischt und beide dem gleichen Loos drückender Knechtschaft prcisgegcben. Nur auf den Gütern der Krone und der Kirche herrschte eine mildere Praxis. Auch für Hebung der Volksbildung durch Schulen und Lehranstalten war Peter der Große bedacht; von den Einkünften der Kirchen und Klöster sollte ein Theil für das Untcrrichtswesen verwendet werden. Ja selbst eine Akademie der Wissenschaften wurde in Petersburg gegründet, aber von ihren gelehrten Forschungen hatte das rohe Volk keinen Gewinn. — Von der Errichtung des „hochheiligen Synod" an Stelle des aufgehobenen Patriarchats ist schon früher die Rede gewesen. Mit demselben verbunden war ein „geistliches Oeconomie- und Kammercollcgium", das über die Verwendung kirchlicher Güter und Einkünfte Bestimmungen traf und die Ueberschüssc an die Krone abzuliesern hatte. Von nun au stand in Rußland Kirche und Staat unter dem militärischen Regiment cincs absoluten Kaiserthums. Hätte Peter noch seinen Plan, dem ganzen Reiche ein allgemeines Gesetzbuch zu verleihen, ausgeführt, so wäre die Staatsorganisation zur Vollendung gebracht worden. Aber ivic viel Peter auch für Cultivirung seines Landes that, er selbst blieb und bis an das Ende seines Lebens ein der Völlerei und rohen Sinnengenüssen er gebener Despot. Eine zweite, in Begleitung der Kaiserin Katharina unter nommene Reise durch Deutschland nach Holland und Frankreich bewies den abendländischen Völkern, wie weit die russische Cultur und Civilisation hinter der europäischen zurückstand. Die Pariser Welt nahm an den Sitten und Lebens gewohnheiten des Kaisers und seiner Umgebung eben so viel Anstoß wie hundert- fünfzig Jahre später die Berliner an den Gesellschaftsformen des Schah von Persien. Besonders gab Peters Verfahren wider seinen erstgebornen Sohn Alex ei, auf den er die Abneigung gegen dessen verstoßene Mutter übertragen, Zeugniß von der harten Gcmüthsart des Machthabers. Durch Trotz und störrisches Wesen hatte Alexei die Liebe des Vaters verscherzt, er hatte sich miß billigend über die Neuerungen geäußert, hatte sich mit lauter Freunden des alten Zustandes umgeben und den Vorsatz ausgesprochen, seine Residenz einst wieder Nach Moskau zu verlegen. Umsonst suchte Peter ihn durch Vermählung mit einer deutschen Fürstentochter, Charlotte Christine Sophie von Braunschweig- Wolfenbüttel, Schwester der Gemahlin Kaiser Karls VI., der europäischen Cul tur zu befreunden; der Zarewitsch, unter der Oberleitung von Menschikow schlecht erzogen, blieb bei seinem Sin». Er haßte die Reformen des Vaters und hielt lest an den altrussischen Anschauungen, Sitten und Gewohnheiten. Er haßte seine deutsche Gemahlin und behandelte sie mit solcher Härte und Lieblosigkeit, daß sie nach vierjähriger unglücklicher Ehe aus Gram und Verwahrlosung starb, vachdem sie dem Zarewitsch eine Tochter und einen Sohn geboren. Müde der väterlichen Strafrcden und von schlimmen Rathgcberu aufgereizt entwich endlich, als der Kaiser in Amsterdam weilte, Alexei aus dem Reich und begab sich von