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I. Der spanische Erbfolgekrieg. 809 die bedrohte Nordgränze zu beschützen vermöchte, durch den König abberufcn, um die wichtigere Mission, wozu ihn das Vertrauen der Nation berief, zu übernehmen, gerade in dem Augenblick als die dringend verlangten Verstärkungen bei dem kaiserlichen Heer in Verona anlangten. Preußische Truppen unter dem erfahrenen Feldherr» Leopold von Anhalt-Dessau, denen sich sächsische, pfälzische, hessische Regimenter angeschlossen, waren durch dieselben Tiroler Thäler herbeigezogen, welche die Baicrn und Franzosen vor zwei Jahren hatten besetzen wollen. Ein Prinz von königlichem Geblüt, der Herzog von Orleans wurde zum Oberfeld herrn der italienischen Armee ernannt, ihm zur Seite der wenig befähigte Marsin. Vendome erkannte die Gefahr; er selbst mußte noch dem großen kaiserlichen Feld- niarschall seine bisherige Stellung bei Zevio an der unteren Etsch überlassen und sich über den Mincio zurückziehen. Wie hätten erst sein unerfahrener Nach folger und dessen unschlüssiger Gefährte dem ersten Strategen des Jahrhunderts Stand zu halten vermocht? Nur auf die Deckung von Mailand und auf die Eroberung der belagerten Hauptstadt Turin bedacht, machten sie keinen Versuch, Eugen in seinem Vorrücken nach Westen aufzuhalten, wie ihnen Vendome vor seinem Abgang gerathen; vielmehr vereinigten sie ihre Truppen mit dem Be- lagerungshcer, das dadurch zu einer Höhe von 80,000 Mann stieg. Ohne Aufenthalt war ihnen Eugen in einem Parallelmarsch auf der Südseite des Po gefolgt, hatte ungehindert den Tanaro überschritten und rückte jetzt, nachdem er sich mit Victor Amadeus' verbunden, auf den Feind los, der ihn in den Verschan zungen vor Turin erwartete. Vergebens hatte Orleans den Vorschlag gemacht, den Kampf auf freiem Felde zu wagen; Marsin, auf dem ganzen Feldzug von Todesgedanken verdüstert und energielos, widersprach ihm. Und so erfolgte denn bei Turin die zweite Niederlage der Franzosen in diesem verhängnißvollen Jahr. Mit wetteifernder Tapferkeit erstürmten die Verbündeten die Verschanzungen, die Preußen unter Leopold von Dessau auf dem linken Flügel voran. Bald war die Flucht allgemein. Kaum der dritte Theil der Armee vermochte sich nach der Grenzfestung Pinerolo, wohin der Rückzug angeordnet ward, zu retten, die übrigen wurden erschlagen, gefangen, zersprengt. Marsin erlag am nächsten Tag seinen Wunden. Das Lager mit seinen Rcichthümern und das gcsammte Belagerungs geschütz fiel in die Hände der Sieger. Noch an demselben Abend konnte der Herzog in seine Hauptstadt einziehen; bald kamen die übrigen von den Franzosen besetzten Orte in seine Gewalt; und noch vor Winter ergaben sich auch die Städte im Mailändischen dem Sieger. In Novara, Pavia u. a. O. entwaffneten die Einwohner die Besatzungsmannschasten, in Mailand wurde Eugen im Triumph »ach dem Dome geführt und Karl als Herzog ausgerufen. Damals waren di Namen von Eugen und Marlbocough in Aller Mund, in Volksliedern wurde ihr Ruhm verkündigt.