Volltext Seite (XML)
784 6. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. fassen konnten. Die Weigerung des kaiserlichen Hofes, den Theilungsverträgm beizutreten, hatte vollends den alten Kriegsbund, der den Ryswickcr Frieden zu Stande gebracht, gelockert und aufgelöst. Auch Wilhelm III. war geneigt, der Vergrößcrungssucht Ludwigs XIV., in dessen politischer Wandlung er einen Verrath der Tractate erblickte, wie in früheren Jahren entgegenzutreten ; er fühlte sich persönlich verletzt, vor den Augen Europas betrogen und verhöhnt, allein seine Machtstellung war beschränkt: in Holland, wo der Großpensionar Heinsius in seinem Sinne wirkte, hatten die Gencralstaaten ein gewichtiges Wort mitzureden und in England, wo um diese Zeit die Tories bei der Regierung und im Parlament die Oberhand besaßen, schlug man die Interessen des Jnselrcichcs höher an als die Kriegspläne des Königs, trug man mehr Sorge für den coin- merciellen Supremat als für das Gleichgewichtssystem. Fliedcn 2lls der Dichter Prior die erste Nachricht von dem Abschluß des Ryswicker Frie- »°nR«sw>ck. dcns nach England brachte, wurde die Nation von großer Freude erfüllt: jetzt erst war die protestantische Erbfolge gesichert; die Whigs, von denen die Revolution ausgc- gangen, hofften nun die Früchte ihrer patriotischen Bestrebungen zu ernten; an ihrer Spitze stand ja die Kaufmanns- und Finanzwelt, die gcwerbsame Bürgerschaft der Städte, die einen neuen Aufschwung des Handels und der Schiffahrt erwarteten ; die Tories, zu denen der grundbefitzcnde Adel, die feldbaucndc Bevölkerung des Binnen« landcs, die hochkirchliche Geistlichkeit gehörten, gedachten nach so vielen politischen Stürmen in ein ruhiges Staatsleben einzulenken, ihre heimischen Angelegenheiten nach den alten Instituten und Gesetzen des Landes zu besorgen; nur die Jacobiten nahmen in malcontcnter Stimmung an der nationalen Erhebung keinen Thcil. Aber bald stiegen Wolken auf, welche die Harmonie zwischen dem König und den nationalen Gewalten trübten. Wilhelm III-, der seit dem Frieden seinen Rang unter den ersten Potentaten Europas cinnahm, fühlte sich verletzt, daß das Parlament so karg in seinen Geldbewilligungen war, so wenig Sinn für die politische Machtstellung zeigte, die er der britischen Nation erworben. Wir wissen aus früheren Blättern, daß der ernste schweigsame Dränier sich nie einer großen Liebe und Hingebung von Seiten der Eng« länder zu erfreuen hatte. Und als nun gar der Antrag im Parlament gestellt ward, daß man die stehende Armee auflöscn solle, da nun nach hergcstelltem Frieden keine Kriegsmacht zur Abwehr auswärtiger Feinde mehr nöthig sei, und für die innere Sicherheit die Landmiliz genüge, und als beide Parteien in der Mehrheit dein Anträge zustimmtcn, fühlte sich Wilhelm tief verletzt. Was der König von Frankreich acht Jahre vergeblich zu erzielen gesucht, habe das Haus zu Stande gebracht, sagte er mit schnei« dender Kälte. Er erblickte in dem stehenden Heer das einzige Mittel, die mühsai» errungene politische Machtstellung zu behaupten, die Tories dagegen waren der Ansicht, England solle sich jeder Einmischung in die Angelegenheiten des Continents enthalten, und die Whigs meinten, das durch die Revolution von 1688 zur Geltung gebrachte Der König Recht des Widerstandes sei mit einer stehenden Armee unvereinbar. Während der mmurrischen Oranier seine Autorität für die Idee des europäischen Gleichgewichts cinsctzcn wollte, Partei-", war das Augenmerk des Parlaments aus Befestigung der populären Freiheiten gerichtet- Besonders galt der Angriff des Parlaments den fremden Truppen, den Holländern, den französischen Refugies, den irischen und schottischen Freiwilligen, durch deren treue Hülfe Wilhelm einst sein Unternehmen durchgeführt hatte. Es ging dem König M nahe, die tapfcrn Männer aus seinem Dienste zu stoßen; aber alle Versuche, da-