782 O. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. Di- B-- rathuny in Fontcmie- blcau. 9 Nov.t700. königlichen Herrschaft in Frankreich oder mit der kaiserlichen Würde im Reiche auf jede Weise ausgeschlossen sein. Für weitere Eventualitäten mar das herzog liche Haus Savoyen in Aussicht genommen. Am l. November 1700 schlossen sich die Augen des spanischen Habsburgers für immer. Bis zur Ankunft des neuen Königs sollte ein Regentschaftsrath, Junta, dessen cinssußreichftes Mitglied der Cardinal Portocarrcro ivar, die Rcgierungsgeschäfte besorgen. Der französische Hof befand sich in Fantaincbleau, als ein Courier die Nachricht von dem Hinschcidcn des Königs und von seiner letztwilligcn Ver fügung überbrachte. Man hatte wohl schon vorher die Eventualitäten dieses Falles ins Auge gefaßt und in Ueberlegung gezogen, ob man im Verein mit de» Seemächten die im zweiten Theilungsvcrtrag verabredeten Bestimmungen durch führen und bei der früheren Uebcreinkunft beharren oder ob man das Testament des Königs annehmen sollte. Durch das doppelte Spiel hatte Ludwig die Sache sehr erschwert. Trat er jetzt für die neue Wendung ein, so machte er sich die Niederlande und England zu Feinden und weckte abermals das Mißtraue» Europa's. Ein neuer Krieg stand dann in Aussicht. Aber war dieser denn überhaupt zu vermeiden, da sowohl Spanien als Oesterreich nichts von der Aus führung jenes Vertrages wissen wollten, nicht einmal die Herzoge von Lothringen und Savoyen, die zu einer Vertauschung ihrer Erbländer gegen andere gebracht werden sollten, sich den Anordnungen geneigt zeigten? Und sollte der katholische König, der die kirchliche Einheit in seinem Reiche mit so großen Kämpfen und Opfern durchgcführt, nun Hand in Hand mit den protestantischen Hauptmächten wider die glaubensverwandten Völker der spanischen und österreichischen Mon archien zu Felde ziehen, um im Interesse der europäischen Convenienz ein Staatcnsystem zur Ausführung zu bringen, das für Frankreich und die Bour- bonsche Dynastie weniger vortheilhaft war als die testamentarische Bestimmung? Im Rache der Krone fehlte es nicht an Männern, die mit großem Bedenken auf das erschöpfte Land blickten und mit Grauen einem neuen Krieg entgegensahen, ehe die Wunden des alten geheilt waren. Noch war der Geist Colberts nicht ganz verschwunden: er lebte fort in seinem Neffen, dem Marquis von Torcy» in seinen beiden Schwiegersöhnen, den Herzögen von Chevreuse und Beau- villiers; und auch der Kanzler Pontchartrain, dessen funkelndes Auge Ehrgeiz und Selbstvertrauen verrieth, verkannte die Mißstände nicht, welche das bisherige System über Frankreich gebracht: allein der König wurde mit dem zu nehmenden Alter immer eigenwilliger; im Glauben an seine Unfehlbarkeit haßte er jeden Widerspruch; ein kleiner Kreis hingebender und schmiegsamer Männer bildete mit Ludwig selbst und der Frau von Maintenon ein Hofcabinet neben dem Ministerrath. „An diesem Stolze des selbstvergötternden Herrschers scheiterte alles, was das Friedcnsbcdürfniß der Welt und die Gunst des Zufalls für die Krönung der königlich bourbonschen Staatskunst gethan."