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764 I'. Literatur und Geistesleben. SimplicisfimuS erzählt, wie er als Bauernsohn im Spessart ohne alle Erziehung Hera»' gewachsen, durch die Gräuel des Krieg« vom elterlichen Hause getrennt und von einem Einsiedln im Walde erzogen, unterrichtet und zur Gottesfurcht ungehalten wird. Als dieser lebensmüde sich ins Grab legt, irrt SimplicisfimuS von Neuem umher, kommt in das HauS des Lomma»' bauten Ramsay in Hanau XI, 987j, wo er durch sein täppisches Wesen und seine Eulenspiegelei«' seinem Herrn so groben Spaß macht, daß dieser auf den Gedanken kommt, den unerfahrenen lib pelhasteu Jungen durch allerlei Streiche seines Verstandes zu berauben und zum Narrn abzurichle»- Aber gewarnt von dem Pfarrer, dessen Bekanntschaft er durch den Einsiedel gemacht^ entgeht« dem ihm zugedachten Schicksale, indem er die Diener und Helfer des Commandanten, die V zum Narrn machen sollten, selbst narrt. Von streifenden Kroaten geraubt, entflicht er in d«> Wald, führt ein Frcibeuterleben und wird nach allerlei Gaunereien und Schalkheiten, wobei« jedoch immer eine ehrliche Haut bleibt, ein KriegSmann. Als solcher zeichnet er sich auS; « hieß nur der Jäger und stand im Ruf, zwei Teufel im Sold zu haben. Er erlangt Glück, Gelt und Ehre und lebt als Freiherr. Bald geht es aber wieder abwärts. Seine Ehe, zu der er dem Vater seiner Geliebten gezwungen wird, schlägt übel aus; er verliert sein Geld, das er»' einem Kölner Bankhaus niedergelegt; auf der Rückreise von Paris, wo er ein üppiges Lebe" führt und durch sein Lautenspiel wie durch seine Wohlgestalt in allerlei galante Verhältnis^ gerüth, wird er durch die Blattern seiner Schönheit, seiner Haare und Stimme beraubt. W den Soldaten Bernhards von Weimar gefangen macht er eine Reihe der buntesten Abcnieu« durch, treibt sich als Quacksalber und Musketier herum und führt ein loses Leben. Auf ei»« Pilgerreise nach Maria Einsiedeln wird er katholisch, seht aber sein Vagantenlcben fort. s' findet den Bauer aus dem Spessart wieder und vernimmt von demselben, daß der Einsiedl«, dem er seine erste Erziehung verdankte, sein Vater und der Commandant in Hanau der Br»d« seiner Mutter gewesen sei. Nun folgt eine Reihe wunderlicher Erzählungen von den Sylpb« im Mummelsee, von Sauerbrunnen, von abenteuerlichen Reisen. Zuletzt bekehrt er sich wird gleichfalls Einsiedler, nachdem, wie er selbst bekennt, sein Leib müde, sein Verstand v«° wirrt, seine Unschuld verloren und seine edle Zeit verschwendet war. In einer Fortsetzung >»>^ er auf eine Insel verschlagen, wo er, wie später Robinson Crusoe allein und einsam haust »>ü seinen Lebenslauf beschreibt. Grimmelshausen hat im SimplicisfimuS ein Stück seines eigenen Lebens beschrieb«» daher die unmittelbare Frische und der Realismus der Schilderungen, der neben d« voiksthümlichen kernhaftcn Sprache und dem gesunden Humor dem Buche die g>^ Verbreitung gegeben hat. Auch Grimmelshausen ist ohne Unterricht hcrangcwachs«» hat ein wildes Soldatenlebcn geführt und ist endlich katholisch geworden. Auch er die Lasterhaftigkeit der Zeit, den Aberglauben und die sittliche Entartung aus Erfahr»»!! kennen gelernt, aber stets gegen das Schlechte, Ungesunde und Gemeine angckämpst Die Zahl seiner Schriften ist sehr groß, aber keine seiner späteren Arbeiten kommt d«" Simplicissimus gleich; cs sind zum Thcil Nachbildungen der Satiren des Moscheros^ zum Thcil Variationen, Fortführungen oder Wiederholungen der eigenen Manier. W»' dem Simplicissimus zu allen Zeiten die Bolksgunst verschafft hat, ist neben der lebe'» digcn Darstellung des wirklichen Lebens mit allen seinen Auswüchsen vor Allem d« vaterländische Sinn des Verfassers, das innige Gefühl für die unglücklichen Zustände i»' Reichs. Es wurde schon früher erwähnt, mit welchem Neid der Held des Romans »»' die blühende Schweiz blickt sXI, 1039j; an einer andern Stelle entwickelt ein verriM' Poet, der sich für Jupiter hält, dem erstaunten Kriegsmann einen Rcichsvcrbesscrungspl»»' der an die pseudonymen Schriften eines Chemnitz und Pufendorf erinnert (XI, 1i)29s>. Ein Held, mit allen Kräften und Vollkommenheiten der Mythcngvtter ausgcstattt' wird, von Vulean mit einem Wundcrschwcrt versehen, die deutschen Länder durchzieh"»'